Kulmbach "Kraft-Tankstellen" bieten Hilfe

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Bei der Veranstaltung des Seniorenbeirats im Klinikum wird klar: Viele Stellen bieten Kranken und Angehörigen Entlastung. Doch noch immer wissen zu wenige Betroffene, welche Möglichkeiten sie haben.

 
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Kulmbach - Zum zweiten Mal hat der Seniorenbeirat der Stadt Kulmbach in Zusammenarbeit mit dem Klinikum anlässlich des Welt-Alzheimertags mit einer breit angelegten Veranstaltung die Öffentlichkeit über Demenz informiert und vor allem das Netzwerk vorgestellt, das sich in Kulmbach um Kranke und ihre Angehörigen kümmert. Viele Organisationen sind in diesem Netzwerk aktiv, betonte Vorsitzende Christina Flauder und wandte sich direkt an die Betroffenen: "Sie müssen sich nicht alleine fühlen!"

Ein Beispiel für praktische Hilfe sind die Kulmbacher Johanniter. Sie gehen mit ihren ausgebildeten Helferinnen direkt in die Familien und übernehmen stundenweise die Betreuung von dementen Menschen, damit die pflegenden Angehörigen zumindest für kurze Zeit entlastet sind, sich eine Auszeit gönnen oder wichtige Erledigungen machen können. Zudem bieten die Johanniter immer mittwochs auch eine Gruppenbetreuung an, die immer besser angenommen wird. Basteln, Ausflüge, Treffen mit Kindergartengruppen und vieles mehr stehen dabei auf dem Programm. Diese "Rettungsinseln" für die Angehörigen sind immens wichtig, weiß Johanniter-Dienststellenleiterin Kerstin Kreiner-Bischof und sie würde sich wünschen, dass Angebote früher angenommen würden: "Meistens kommen die Leute erst zu uns, wenn sie gar nicht mehr können und schon kurz vor dem Zusammenbruch stehen." Wer einen dementen Angehörigen zu Hause pflegt, braucht immer wieder mal Luft für sich selbst und zum Kraft tanken. Kerstin Kreiner-Bischof kennt Geschichten, die zu Herzen gehen. Sie erzählt von Frauen, die das Gefühl haben, ihr Ehepartner verschwindet einfach, obwohl er da ist: "Der Mensch sieht aus wie der Partner, aber die Person an sich ist nicht mehr greifbar."

Angebote, Menschen in solchen unvorstellbar schweren Lebenslagen zur Seite zu stehen, gibt es inzwischen immer mehr. Die Versorgung hat sich deutlich gebessert, sagt die Vertreterin der Johanniter: "So langsam etabliert sich das und vor allem trauen sich die Menschen auch zunehmend, Hilfe zu holen." Lange, zu lange, sei Demenz ein Tabuthema gewesen. Kerstin Kreiner-Bischof ist froh, dass diese Front bröckelt. Noch immer gebe es aber Menschen, die sich nicht trauen, Angebote anzunehmen. Wer es doch wagt, macht, wie die Johanniterin weiß, durch die Bank sehr positive Erfahrungen: "Die Menschen merken, wie wichtig es ist, sich diese Freiräume nehmen zu können und mit der Zeit werden unsere Helferinnen so etwas wie ein Teil der Familie. Das gibt beiden Seiten sehr viel." 25 Patienten betreuen die Kulmbacher Johanniter derzeit einzeln. Hinzu kommt die Gruppe, die immer zwischen sechs und acht Personen umfasst.

Ebenfalls Teil des Netzwerks ist, wie alle Wohlfahrtsverbände, das BRK in Kulmbach. Geschäftsführer Jürgen Dippold kennt die große Belastung auch, die auf den Angehörigen liegt. "Demenz dauert 24 Stunden, sieben Tage die Woche und hat viele verschiedene Krankheitsbilder." Dippold berichtet von Weglauf-Tendenzen, von Sturzneigung und vielem mehr. Der erste Kontakt zwischen Demenzkranken, ihren Angehörigen und dem BRK findet meist über die ambulante Pflege statt, die irgendwann einmal unabdingbar wird, wenn die Krankheit immer weiter fortschreitet. Natürlich hat auch das Rote Kreuz Betreuungskonzepte für die Angehörigen und Jürgen Dippold hat einen Traum: Eine engmaschige Betreuung, möglichst beim Patienten in dessen eigenen vier Wänden.

Helga Kern ist seit vier Jahren unermüdlich aktiv in der von ihr gegründeten Selbsthilfegruppe Demenz. Eigentlich wurde sie für Angehörige gegründet, aber dann hat das Betreuungsproblem die Demenzpatienten ebenfalls in die Gruppe gebracht. Ein wunderbarer Zufall, wie Helga Kern heute weiß. Denn während die pflegenden Frauen sich austauschen, sind ihre Männer, bestens betreut, im Mehrgenerationenhaus in der Negeleinstraße gleichzeitig in der Holzwerkstatt aktiv: "Die machen ganz tolle Sachen in der Werkstatt und sind gut aufgehoben, denn allein lassen kann man sie ja nicht." Auch Renate Kern kennt natürlich die Not der Pflegenden, weiß, wie schlecht sie sich zuweilen fühlen. Für sie engagiert sich die Selbsthilfegruppe und fungiert als eine Art "Kraft-Tankstelle", die neuen Antrieb gibt für die schwere Aufgabe, die Angehörige von Demenzkranken schultern.

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