Stadtsteinach - Wenn die Hochseekuh zum Ohrwurm avanciert und die Freier von Kathi Kobus sich in deren Lokal "Alter Simpl" in München die Klinke in die Hand drücken, dann geben sich im Frankenwaldtheater in Stadtsteinach Joachim Ringelnatz und Jan Burdinski ein Stelldichein. Unter dem Motto "Schöne Nixen knicksen" ließ der Schauspieler und Intendant des Fränkischen Theatersommers am Freitagabend den "Hausdichter" der ehemaligen Schwabinger Künstlerkneipe hochleben.

Die architektonischen Fähigkeiten des Leiters des Frankenwaldtheaters, Wolfgang Martin, waren anfangs gefordert, denn der Besucherandrang ließ den Raum förmlich überquellen und es galt, da und dort noch einen Stuhl unterzubringen. Was folgte, war eine überquellende Dichtkunst und Lebensfreude, für die Jan Burdinski verantwortlich zeichnete.

Der stellte zunächst den als Hans Bötticher 1883 geborenen Dichter vor, der sich in diversen Berufen versucht hatte, als Schaufensterdekorateur, Riesenschlangenschlepper, Kunstmaler, ja selbst als Fremdenführer in der nahe gelegenen Burg Lauenstein. Sein Traum war es aber, zur See zu fahren, und den erfüllte er sich, indem er auf dem Handelschiff Elli anheuerte. Ringelnatz nannte er sich nach einem seiner Lieblingstiere, der Ringelnatter, die sich wie er selbst zu Wasser und zu Land gleichermaßen wohl fühlt, verriet Jan Burdinski.

"Alle Mann an Bord? Schwimmwesten übergezogen und dann Leinen los. Lasst uns eine Reise machen, segeln, dass die Balken krachen. Wir sind heute Abend also auf der Elli", verkündete der Protagonist und versprach: "Ich schenk euch heute Abend einen Ohrwurm. Wenn mir das nicht gelingt, hab ich verloren!" Sprach's, schnappte sich sein Schifferklavier und los ging es mit dem Lied von der Hochseekuh, das im Laufe des Abends immer wieder ertönte und von den Besuchern begeistert mit geschmettert wurde: "Zwölf Tonnen wiegt die Hochseekuh. Sie lebt am Meeresgrunde. Ohei! - Uha! Sie ist so dumm wie ich und du und läuft zehn Knoten in der Stunde."

Nachdem man mit einer zwölf Tonnen schweren Hochseekuh nun einen doch etwas sehr ungewöhnlichen, unförmigen, durchs Programm führenden roten Faden gefunden hatte, konnte eigentlich nichts mehr schief gehen und das ging es auch nicht. Mit grandioser Gestik und einer sich vor allem durch eine meisterhafte Akzentuierung auszeichnenden Sprachgewalt fesselte, verzauberte Jan Burdinski förmlich das gebannte Publikum.

Mit seiner passionierten, faszinierenden Vortragsweise präsentierte er die Werke von Ringelnatz nicht nur, er ließ sie quasi lebendig werden. "Ein Shanty wird nicht gesungen, es wird geschrien!" blaffte er das Publikum an, wenn ihm der Refrain nicht leidenschaftlich genug war. Wenn es passte, gab es augenblicklich Lob: "Ihr seid eine tolle Mannschaft!"

Und so kamen die Besucher in den Genuss der Geschichten über den die Meere bereisenden Kapitän Kuttel Daddeldu oder auch von Kindergebetchen, Seemanns- und Liebesgedichten, erfuhren, dass Joachim Ringelnatz im "Alten Simpl", wo selbst Enrico Caruso gesungen haben soll, anfangs erfolglos auftrat, bis er eines Abends den durchschlagenden Erfolg hatte.

Der letzte Freier

Anhand der lebhaften, liebevollen, detailgetreuen Beschreibungen Burdinskis konnte man sich Ringelnatz mit seinen furchtbar netten, liebenswerten Augen und seiner Nase, einem Geierschnabel als Kontrast, ebenso vorstellen wie die Wirtin Kathi Kobus als resolutes, geschäftstüchtiges, mit einem Oberlippenbart ausgestattetes Weib.

Selbst vor ihr schreckte Ringelnatz nicht zurück, dichtete ihr in "Kathi und die Freier" an, dass sie sieben Mal verlobt war, um am Schluss zur allgemeinen Überraschung aufzuklären, wer der letzte Freier war: "...und dem Verhältnis Nummer Sieben, ist Kathi denn auch treu geblieben. Es ist, - Kathi verzeih mir's bitte, es ist ein Herr aus unsrer Mitte! Er pflegt sich täglich hier zu zeigen, wird sich auch heute hier verneigen, und heißt auf diesem Tingelplatz: Joachim Ringelnatz."

Wie die Reaktion nach der damaligen Verneigung war, ist nicht überliefert, wohl die nach dem letzten Gedicht von Jan Burdinski: Der Applaus fiel überwältigend aus und das vollkommen zu Recht. Für die musikalische Ausgestaltung des Abends sorgte Pianist Vladimir Plakidin.