Kulmbacher forscht Die Revolution des Bezahlens

Stefan Linß
Bezahlen wird praktischer. Mit dem Smartphone sind an der Kasse bereits Überweisungen möglich. Die digitale Entwicklung geht aber weiter. Ein programmierbarer Euro könnte noch ganz andere Zahlungsmethoden ermöglichen. Foto: /Franziska Gabbert/dpa

Der Euro soll nicht nur digital werden, sondern obendrein programmierbar. Welche Vorteile diese Innovation bieten kann, erklärt Volkswirt Jonas Groß.

 
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Kulmbach - Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet am digitalen Euro. Allerdings ist vor dem Jahr 2026 mit dem Start der europäischen Digitalwährung noch nicht zu rechnen. Ganz anders verhält es sich mit dem programmierbaren Euro. Finanzfachleute sehen in ihm ein enormes wirtschaftliches Potenzial.

„Innovative Geschäftsmodelle brauchen effiziente digitale Bezahlmöglichkeiten. Deshalb liegt in der zeitnahen Entwicklung eines programmierbaren Euros der Schlüssel zum Erfolg“, heißt es in einer neuen Studie des Frankfurt School Blockchain Centers im Auftrag der Finanzplatz München Initiative.

Zu den Verfassern gehört Jonas Groß. Der Volkswirt stammt aus Kulmbach und promoviert an der Universität Bayreuth zum Thema digitale Währungen. Der 27-Jährige ist Projektmanager am Blockchain Center der Frankfurt School of Finance sowie Vorsitzender der Digital Euro Association, einer internationalen Denkfabrik. Im Gespräch mit unserer Zeitung beantwortet er die wichtigsten Fragen rund um einen programmierbaren E-Euro.

Warum soll der Euro nicht nur digital, sondern zudem noch programmierbar werden?

In unserer Studie geht es um einen digitalen Euro, der programmierbare Zahlungen ermöglicht. Dank der innovativen Blockchain-Technologie, die den digitalen Währungen häufig zugrunde liegt, lassen sich Prozesse erheblich automatisieren und programmierbare Zahlungen effizient abbilden. Weil ein programmierbarer Euro nutzbar wäre für automatisierte Zahlungen, könnte zum Beispiel eine Maschine in einer Industriehalle, nachdem sie eine gewisse Menge Aluminium verarbeitet hat, ohne menschliche Interaktion eine Zahlung anweisen. Heute geht das in der Regel nicht, denn eine Maschine hat ja kein Bankkonto, erklärt Jonas Groß.

Welche Rolle spielt dabei der Faktor Zeit?

Heutzutage dauert es recht lange, bis eine Zahlung über das Bankkonto abgewickelt wird. Ob in der Produktion von Gütern oder bei Dienstleistungen – der programmierbare Euro lässt sich fast überall einsetzen. Auch mit Blick auf digitale Wertpapiere. „Wer heute eine Aktie kauft und bezahlt, muss im Schnitt zwei Tage warten, bis alles rechtskonform verbucht ist“, sagt der Volkswirt. Das liege daran, dass die Bezahlung und der Übertrag der Aktie in unterschiedlichen Systemen passieren. Auf Blockchain-Basis lässt sich die komplette Dienstleistung in derselben Infrastruktur abbilden, das heißt sowohl der Übertrag eines Wertpapiers als auch die damit einhergehende Zahlung. Der Übertrag wäre dann sogar in Echtzeit möglich. Die Zahlung geschieht in derselben Sekunde, sie lässt sich dann allerdings auch nicht mehr so einfach rückgängig machen.

Welche Einsatzmöglichkeiten sind noch denkbar?

Für alle möglichen Anwendungsfälle lassen sich ein Prozess oder eine Dienstleistung mit der entsprechenden Bezahlung zusammenbringen. Zu einer digitalisierten und automatisierten Wirtschaft gehört der programmierbare Euro in vielen Bereichen dazu. Bewegt sich in Zukunft ein autonom fahrendes E-Auto auf den Straßen, dann nutzt es vielleicht den programmierbaren Euro überall dort, wo Geld im Spiel ist. Es loggt sich in der Stromladesäule mit dem eigenen Konto ein und sobald getankt ist, wird die digitale Zahlung über eine Blockchain abgewickelt. Der programmierbare Euro ermöglicht darüber hinaus völlig neue Geschäftsmodelle.

Wo macht uns der programmierbare Euro das Leben leichter?

Dazu passt das Beispiel eines Unternehmens, das einen Traktor vermietet. Die Vermietung ist gekoppelt an ein Pay-per-Use-Modell, also eine nutzungsbasierte Abrechnung. Je nachdem, wie lange der Traktor vom Mieter genutzt, welche Arbeit damit verrichtet und ob der Traktor richtig gewartet wurde, wird am Ende die Gebühr errechnet und gezahlt. Das ist für den Mieter flexibler und womöglich günstiger als eine monatliche Rate. Und es ist effizienter, weil die Rechnung nicht über eine herkömmliche Banküberweisung beglichen wird.

Wie wichtig sind bei der Entwicklung die EZB und die Banken?

Der digitale Euro, an dem die EZB arbeitet, wird kaum vor dem Jahr 2026 kommen, glaubt Jonas Groß. „Mit dem programmierbaren Euro ist es ein bisschen anders.“ Es lohnt sich dabei wohl nicht, jetzt auf die EZB zu warten, heißt es in der Studie.

Einerseits steht heute noch nicht fest, auf welcher technologischen Basis der digitale Euro der EZB entwickelt wird, geschweige denn, ob er überhaupt eingeführt wird. Andererseits ist es so, dass die Industrie vor dem Hintergrund der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung jetzt oder in absehbarer Zeit Lösungen braucht. Deswegen ist bei der Entwicklung des programmierbaren Euro der Privatsektor gefragt.

Eine Bank wäre durchaus in der Lage dazu, einen solchen programmierbaren Euro auszugeben, das muss nicht die EZB sein. Die Banken werden eine wichtige Rolle spielen – beim digitalen Euro und womöglich auch bei dem programmierbaren Euro.

Bringt der programmierbare Euro weitere Vorteile?

Es sind damit auch Mikro- oder Nano-Zahlungen möglich. Das heißt, es werden Zahlungen von Beträgen kleiner als ein Cent ermöglicht. Heutige Systeme können das nicht effizient abbilden, erklärt Groß. Auf dem Bankkonto ist die kleinste Einheit ein Cent. Im Moment wäre es zu teuer für die Banken, kleinere Einheiten anzubieten.

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