Die Russen hatten den Sputnik; das mussten die Amerikaner, raumfahrttechnisch schlagartig ins Hintertreffen geraten, schockiert hinnehmen. Aber die Amerikaner hatten den besten Pianisten - das mussten ihnen, mitten im Kalten Krieg, die Russen lassen. Van Cliburn hieß die musikalische Wunderwaffe; schon etliche wichtige Wettbewerbe hatte er gewonnen: ein Exzentriker - gewohnt, durch Einzigartigkeiten aus dem Rahmen zu fallen. 1958 ging er 24-jährig in Moskau als Sieger aus dem ersten Tschaikowsky-Wettbewerb hervor und erklomm so die Weltspitze seiner Zunft. Die New Yorker, an deren jubelnden Massen er im offenen Auto vorüberfuhr, huldigten ihm mit einem Triumphzug. Mit einem solchen Star als Solisten - des b-Moll-Konzerts von Peter Tschaikowsky - verkaufte sich 1961 eine Klassikplatte erstmals öfter als eine Million Mal. Noch 2003, als sich Cliburn (fast) gänzlich vom Musikbetrieb verabschiedet hatte, legte ihm George W. Bush die Freiheitsmedaille um, in den Vereinigten Staaten die höchste Ehrung für Zivilisten. Exzentriker sein - das heißt: aus dem Rahmen fallen. Nicht mit dem üblichen Breitenrepertoire maß sich Van Cliburn seine kurze Glanzzeit über an der Konkurrenz; vielmehr beschränkte er sich, als die Kritik ihm immer häufiger Vordergründigkeit und Manierismen vorwarf, auf eine immer kleinere Zahl von Werken. Irgendwann begann er, alle Auftritte mit der Nationalhymne zu eröffnen, was vielleicht Georg W. Bush, nicht aber jeder Zuhörer passend finden wollte. Auch als Dirigent versuchte er sich, glücklos indes. 1978 trat er aus dem Licht der Öffentlichkeit; in das er, neuerlich bewundert begrüßt, 1987 eine Zeit lang zurückkehrte, zunächst mit einem Konzert im Weißen Haus für Michail Gorbatschow. Am Sonntag feiert der Pianist, der noch in seinem Scheitern zu den auffälligsten der USA zählt, seinen 75. Geburtstag. Ein von ihm begründeter, schwieriger Wettbewerb bewahrt seinen Namen auf, wenngleich nur den wenigsten der bislang fünfzehn Gewinner der Aufstieg zur Weltspitze gelang.