Karl Valentin, das "gewesene Kind", blieb auch als ausgewachsener Komiker eines: Ein Kindskopf wie der infantile Sinn- und Schellackzerstörer im "Schallplattenladen" oder der Philosoph der "Semmelnknödeln" wird nie trocken hinter den Ohren. Wie aber lebte Karl Valentin, als er wirklich noch das Münchner Kind Valentin Ludwig Fey "gewesen" war?

In den "Jugendstreichen des Knaben Karl" berichtet er selbst darüber, nicht selten mit dem Kopfschütteln eines Erwachsenen und freilich mit beträchtlichem Vergnügen an Wildheit und Wagemut von ehedem. Wenn der Kabarettist Bruno Jonas die Streiche verliest - auf einer CD aus dem Hörverlag -, dann wird dabei das vergnügte Verwundern darüber vernehmlich, was der Autor einst alles "überlebt" hat. "Glacht hamma scho, net weni, damals."

Von Possen und Eseleien des schieren Übermuts erzählt Jonas, von Menschen- und Tierquälereien, riskanten Selbstversuchen. Feuer und Schießpulver spielen eine zentrale Rolle, wie auch die geballten Fäuste solistischer Raufer und hundertköpfiger Jungen-Heere. Ein Seidenpudel mit einem explodierenden Knallfrosch am Schwanz türmt panisch auf Nimmerwiedersehen; alte Frauen, "umgeschmissen", müssen um ihre mürben Knochen fürchten; eine Mutprobe auf sulzig-dünnem Eis endet tödlich - wenn auch nicht für den "Knaben Karl". Einsprüche der Mutter verhallen ungehört. Erst wenn Schulbehörde oder Polizei einschreiten, ist's "aus mit der Hinterfotzigkeit".

Valentins Komik-Kollege Jonas weiß, dass er's nicht mit hoher Literatur zu tun hat. Folglich lässt er alle Dichter- und Rezitatoren-Allüre hinter sich, fühlt sich mit gemütlich verhaltenem Tempo in die Fassungslosigkeit des erwachsenen Karl Valentin ein und lässt gern und oft den Dialekt für sich sprechen - nicht den bayerischen allein: Auch der sächselnden Mutter leiht er amüsant seine Stimme.

Unterfränkisch im Grundton trumpft ein weiterer Satiriker auf: Urban Priol, auf einem Eichborn-Hörbuch, bringt "Meisterleistungen der Beamtensprache" zu Gehör. Autor Norbert Golluch trug die Fundstellen aus Mitteilungen von und an Behörden und Dienststellen zusammen, kommentierte sie mal mehr, mal weniger lustig und vereinte sie unterm O-Ton-Zitat "Stirbt ein Bediensteter während der Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet". Man sieht förmlich, wie sich die hochfahrenden Haare Urban Priols noch mehr sträuben bei den Wortklaubereien, Stilblüten und Umständlichkeitsrekorden, von denen jede einem Karl Valentin Ehre gemacht hätte.

Den nannte Kurt Tucholsky einen "Linksdenker" - was er zugleich auf sich selbst hätte münzen dürfen: nicht weil er politisch links dachte; sondern weil er als unangepasster Kopf, zeitnah-menschenfreundlicher Geistesmensch, überlegener Überleger und Nachdenker bis heute nachwirkt. Auf einem Hörbuch der Edition Apollon, von Bodo Primus, Jochen Kolenda und Kordula Leise mit Esprit und schöner Sprechkultur gelesen, kommt Tucholsky in weniger bekannten, auch späten Texten zu Wort. "Abends nach sechs" heißt die Platte - eine gelassen heitere Auswahl für den Feier- und den Lebensabend? Immerhin, in den Prosastücken "Nachher" räsoniert der Autor, dahingeschieden und irgendwie im Himmel gelandet, mit einem Ewigkeitsgenossen über die Zeitlichkeit des Lebens: "Wir saßen auf der Wolke und ließen die Beine baumeln." Erstaunliche Philosophie treibt er dabei - und parodiert sie zugleich.

"Glacht hamma scho", und tun es, über so viel zeitenthobene Gescheitheit und Brillanz, noch immer "net weni". Michael Thumser

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Karl Valentin/Bruno Jonas: Der Hörverlag, 1 CD, 14,95 Euro.

Norbert Golluch/Urban Priol: Eichborn, 1 CD, 14,95 Euro.

Kurt Tucholsky: Edition Apollon, 1 CD, 14,99 Euro.