Kent Nagano ist einer der besten Dirigenten der Welt, ein Maestro von Weltrang. Und er ist der aktuelle Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München - noch bis Ende der Spielzeit 2012/2013. Seinen Vertrag will Nagano nicht verlängern, zu tief geht das Zerwürfnis mit dem Staatsopernintendanten Nikolaus Bachler. Nein, pflegeleicht ist er nicht, der Kalifornier mit japanischen Wurzeln, der heute sechzig Jahre alt wird. Auch sich selbst hat es der Künstler nie leicht gemacht. Aufgewachsen ohne Fernsehen, Kino oder große Plattensammlung in der landwirtschaftlich geprägten Küsten-Kleinstadt Morro Bay zeigte er als kleiner Junge auch nicht unbedingt Interesse am Klavier seiner Mutter, einer Mikrobiologin und guten Pianistin. Dennoch wurde Hausmusik gemacht, und in der Schule nahm Kent am zusätzlichen Musikunterricht teil; mit acht Jahren soll er zum ersten Mal einen Chor dirigiert haben. Später studierte er Soziologie und Musik, sein Berufsleben begann als Korrepetitor an der Bostoner Oper. Als er einen Zyklus von Olivier Messiaen dirigieren sollte und ihm keiner helfen konnte, die Musik richtig zu verstehen, wandte sich Nagano direkt an den Komponisten; ein Briefwechsel begann, aus dem eine Freundschaft entstand. Messiaen empfahl Nagano 1984 als Assistenten von Seiji Ozawa für die Uraufführung seiner einzigen Oper in Paris, und der Durchbruch für den jungen Dirigenten war geschafft. Er wurde zu den bevorzugten Interpreten Messiaens - wie er überhaupt die moderne Musik vorzieht. Statt es sich leicht zu machen, mied Nagano beruflich die ausgetretenen Wege und wählte stattdessen die Trampelpfade; will heißen: Er sucht stets das Ungeschliffene, das Ungewohnte. So ist es nicht verwunderlich, dass Nagano vor wenigen Wochen mit dem Bayerischen Staatsorchester vor dem Papst Bruckner zelebrierte und kurz davor als Musikdirektor des Orchestre symphonique de Montréal ein Konzert für die Inuit im hohen Norden Québecs gab. Bis er den Dirigentenstab an seinen Nachfolger Kirill Petrenko weitergibt, wartet in München indes noch eine gewaltige Aufgabe auf Kent Nagano: Denn die musikalische Leitung der Wagner-Tetralogie "Der Ring des Nibelungen", die für 2012 auf dem Spielplan steht, ist selbstverständlich Chefsache.