Miami Vice" hieß eine international erfolgreiche Fernsehserie aus den 1980er-Jahren. Vice bedeutet Laster, und der Titel der Serie bezog sich darauf, dass einige Hauptfiguren im Dienst der Sittenpolizei standen. Jetzt hat der soeben 82 Jahre alt gewordene US-Schriftsteller Tom Wolfe, der einst zusammen mit Norman Mailer, Truman Capote und anderen den "New Journalism" erfand, einen Roman geschrieben, der in ebenjener "Stadt des Lasters" spielt. Er trägt - auch in seiner im Blessing Verlag erschienenen deutschen Ausgabe - einen englischen Titel, "Back to Blood" (Zurück zum Blut), und hat mit anderen fiktionalen Texten des Autors gemein, dickleibig (768 Seiten) und unterhaltsam, aber eher Kolportage als große Literatur zu sein. Es geht um Rassen- und Klassenkonflikte in einer Großstadt, in der nur eine Minderheit Englisch als Muttersprache erlernte. Und es geht um die allgemeine Gier - nach Geld und nach Sex. Zu den Figuren der Handlung zählen ein Polizist und ein Journalist, ein russischer Oligarch und ein Psychiater, der durch die Scheinbehandlung pornosüchtiger Patienten in die bessere, das heißt die besser verdienende Gesellschaft aufsteigt. Besonders gelungen ist dem Autor das bös-satirische zehnte Kapitel, das er unter dem Titel "Der Super Bowl der Kunstwelt" der Messe "Miami Art Basel" widmet. Die wird als "Tour de Force aus Stehempfängen, Dinnerpartys, After-Partys, heimlichen Kokainorgien und der rasanten Jagd nach Frischfleisch" geschildert. Ein der "Sünde Onanie" frönender Milliardär lässt innerhalb weniger Minuten fast 17 Millionen Dollar für "idiotischen Krempel" springen, der aus "sieben obszönen Glasplatten" besteht. Sprachlich erlaubt sich Tom Wolfe leider allzu viele Manierismen: Ein Auto "schleeeuuudert" herum, eine schöne Frau wird von einem schwerreichen Mann mit Blicken "überschwemmt überschwemmt überschwemmt", und ein paar Seiten später reißt derselbe Mann derselben Frau "brünftbrünftbrünftig" die Kleider vom Leib.
Kunst und Kultur Brünftig in Miami
Von Ralf Sziegoleit 20.03.2013 - 00:00 Uhr