Im richtigen Leben ist der Cowboy ein schmutziger, überlasteter Arbeiter. Im Kino wird er, wie der sogenannte Wilde Westen insgesamt, verklärt. Er verwandelt sich in ein Vor- und Urbild von Freiheit, Unabhängigkeit und Abenteuer. Perfekt verkörpert wurde er vom Schauspieler John Wayne, der, so formulieren es Andreas Baur und Konrad Bitterli, „dem rauen, zugleich aber stets gerechten Haudegen, dem pflichtbewussten Sheriff oder gehorsamen Kavalleristen seine Person lieh und sie im Grunde selbst personifizierte“. Der Essay von Baur/Bitterli ist dem „Brave lonesome Cowboy“ gewidmet, und ebendiesen Titel trägt auch eine Ausstellung, die im Frühjahr, als sich zum 100. Mal John Waynes Geburtstag jährte, in Esslingen am Neckar gestartet wurde und die ab heute im Kunstmuseum St. Gallen zu sehen ist. Tatsächlich geht es in der Schau um Kunst, genauer: um den „Mythos des Westerns in der Gegenwartskunst“. Denn die Bandbreite, in welcher die zeitgenössische Kunst Bilder, Erzählmuster und Aspekte der Ethik des Westerns reflektiert, ist immens. So beschäftigen sich die Gemälde, Objekte und Videos der Ausstellung mit Image & Landscape, Ehrlichkeit & Unverstelltheit, Mythos & Ideologie, Law & Order respektive Peacemaker (Friedensmacher), wie der gern eingesetzte Trommelrevolver der Marke Colt euphemistisch genannt wird. Unsere Abbildung zeigt eine „Paradoxical Western Scene“, die ein vertrautes Kinobild auf irritierende Weise verwandelt. Was nun John Wayne betrifft, so ist die Ausstellung zwar eine respektvolle Verneigung vor ihm, doch verschweigt der dazu erschienene Reader (Verlag für moderne Kunst, Nürnberg, 260 Seiten, 32 Euro) nicht, dass der Schauspieler als erzkonservativer Patriot durchs Leben ging und in den USA zur Reizfigur für Generationen politisch liberal Denkender wurde.