Ich bin nicht Stiller", behauptet, gleich im ersten Satz, der Held des Buchs, der wahrscheinlich eben doch besagter Stiller ist. Aber wer ist einer - und, wenn ja, wie viele? Das Thema der Identität machte Max Frisch zum Thema seines Schreibens: Dass das Ich eines Menschen etwas anderes sei als die Geschichte, die er von sich erzählt - oder die von ihm erzählt wird -, das postulierte Frisch. Stiller, Titelheld seines grandiosen Romans von 1954, gibt denn auch in Serie abenteuerliche Elemente einer fiktiven Biografie zu Protokoll, um sein wahres Selbst dahinter zu verstecken. Zehn Jahre später, in "Mein Name sei Gantenbein", radikalisierte der große Schweizer Schriftsteller das Thema: Da lässt sich der Mensch als solcher nur mehr beim "Namen" nehmen - während die Person sich auflöst im Spiel der wechselnden Rollen. Und das traditionelle Erzählen verschwindet gleich mit. Denn die Erzählbarkeit, Erkennbarkeit, Durchschaubarkeit eines Menschen stellt Frisch in vielen Prosa- und Bühnentexten (wie im Erfolgsstück "Andorra" von 1961) in Frage. Weil die Menschen und die Medien sich "ein Bild machen" von einem, droht das Ich sich den Vorstellungen der Außenwelt anzugleichen, sich selber zu verfehlen und verloren zu gehen. Das moderne Individuum sah Frisch mit dem Fluch beladen, an seiner "Selbstfindung" zu scheitern. Mithin einer komplexen, philosophisch abstrakten Leitidee folgte der Autor, der am Sonntag vor hundert Jahren in Zürich zur Welt kam und dort knapp achtzigjährig starb; doch in ungemein fesselnden und anschaulichen Variationen, mit einem schlichten Ton sozusagen prosaischer Poesie führte er das Thema aus. Um sich zu suchen, vielleicht zu finden, festzuhalten, pflegte er die Tagebuch-Aufzeichnung als literarische Kunstform - bis hin zur autobiografischen Erzählung "Montauk" (1975), in der er vergangene Lieben Revue passieren lässt, jene zu Ingeborg Bachmann besonders. An seiner Eifersucht, nicht zuletzt, zerbrach die fünfjährige Verbindung: "Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht."