Als er im Juli 2001 einem Herzleiden erlegen war, schrieb die spätere Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in einem Nachruf, es habe nach dem Krieg in Deutschland nur zwei Genies gegeben: „Fassbinder im Westen, Schleef im Osten.“ Allerdings hatte sich der Theatermann und Erzähler Einar Schleef, der heute vor 65 Jahren in Sangerhausen geboren wurde, dem öffentlichen Bewusstsein viel weniger eingeprägt als der im Medium Film tätige West-Kollege. Die Uraufführung von Jelineks „Sportstück“, 1998 am Wiener Burgtheater, war der größte Triumph des Regisseurs Einar Schleef, von dessen Arbeiten gesagt wird, sie seien geprägt von sexuellen Obsessionen, monomanischen Einlassungen auf das geteilte, dann wiedervereinigte Deutschland und von wutstampfender Erinnerungs- und Trauerarbeit. Seine Inszenierungen waren häufig leidenschaftlich umstritten. Schleef, der posthum auch als Maler gewürdigt wurde, studierte an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Malerei und Bühnenbild; seine erste Ausstattung schuf er 1972 für den „Don Gil“ in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Noch im selben Jahr avancierte er im Berliner Ensemble zu B.K. Tragelehns Co-Regisseur. Als Strindbergs „Fräulein Julie“ 1975 von offizieller Seite kritisiert und bald abgesetzt wurde, ging er in den Westen, studierte an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin – und schrieb: Es entstanden Romane, darunter der monströse Muttermonolog „Gertrud“, und Erzählungen, Hörspiele und Theaterstücke („Totentrompeten“). Als Regisseur war Schleef von 1985 bis 1990 am Schauspiel Frankfurt tätig, später inszenierte er, unter anderem, Hochhuths „Wessis in Weimar“ am Berliner Ensemble – der Autor wollte die Uraufführung wegen mangelnder Werktreue verhindern – und den „Golem in Bayreuth“ von Ulla Berkewicz am Akademietheater Wien. Zu den Auszeichnungen, die Schleef erhielt, zählen der Döblin- und der Kortner-Preis.