Schreiben Dichter anders? Könnte man sich große Schriftsteller wie Thomas Mann oder Hermann Hesse kreativ beim Umgang mit den Mitteln elektronischer Textverarbeitung vorstellen? Aus Überzeugung hielt Ersterer zeitlebens streng darauf, jede Zeile seines Riesenoeuvres mit der Hand zu Papier zu bringen. Hingegen wusste Hesse die Vorzüge der Schreibmaschine durchaus zu schätzen, wenn er auch ebenso gern auf die Zuverlässigkeit eines guten Füllfederhalters setzte. Als er Ende der Dreißiger seinen defekten Lieblingsfüller der Marke Osmia Supra ausgebessert zurückerhielt, quittierte er den Empfang brieflich: "Herzlichen Dank für die reparierte Feder. Leider ist sie etwas gröber geworden, früher hat sie haarfein geschrieben. Aber ich selbst bin ja auch nicht mehr, was ich einst war." Vielleicht könnte sich Hesse heute noch weniger als der fühlen, der er einst war, wenn er sich ins Internet und dort ins "Hermann-Hesse-Portal" einloggte. Dieser Tage - rechtzeitig zum Geburtstag des Dichters am 2. Juli - stellten die Sparkasse Pforzheim Calw (wo er zur Welt kam), der Suhrkamp-Verlag und der Literaturwissenschaftler Volker Michels als Herausgeber seines Gesamtwerks den "Relaunch" jener Plattform vor. Den Worten der Organisatoren zufolge eröffnet die Adresse www.hermann-hesse.de "mit insgesamt 3120 Seiten das mit Abstand größte Angebot zu Leben und Werk des berühmten Literatur-Nobelpreisträgers im World Wide Web". Texte, Bilder und Dokumente nebst Film- und Tonaufnahmen zeichnen ausführlich die Biografie nach, deren Hintergründe Essays namhafter Experten ausleuchten. Unter den Neuerungen des Portals finden sich, gleich auf der Startseite, aktuelle Nachrichten und Links über und rund um den weltweit meistgelesenen Autor deutscher Sprache. Erfreulicherweise belegt eine Bildergalerie, dass der Vielseitige nicht nur ein Maschine schreibender Prosaist und Lyriker von hohem Rang, sondern zugleich als Maler ein brauchbarer Handwerker war.