Der Stoff des Bestsellers ließ auch an der Kinokasse auf einen Knüller hoffen. Als - nach dem Vorabdruck Ende 1928 in der Vossischen Zeitung - "Im Westen nichts Neues" als Buch herauskam, gingen von Erich Maria Remarques pazifistischem Roman aus dem Ersten Weltkrieg in weniger als anderthalb Jahren über eine Million Exemplare über die Ladentische. Kein Wunder, dass sich zur deutschen Erstaufführung der Verfilmung durch den US-amerikanischen Regisseur Lewis Milestone, 1930 im Mozartsaal am Berliner Nollendorfplatz, viel Prominenz aus Politik und Kultur ansagte. Jene Premiere am 4. Dezember, zur Genugtuung der Betreiber vor vollem Haus ("Man riss den Verkäufern die Eintrittskarten aus den Händen"), ließ mit ihrem friedlichen Verlauf und ihrer betroffen machenden Wirkung noch nicht die Krawalle ahnen, die unverzüglich folgen sollten: Als Berliner Gauleiter der erstarkenden, längst parlamentsfähigen NSDAP und deren Propagandaleiter rief Joseph Goebbels zum Sturm nationaler Entrüstung gegen das "gemeine, zersetzende" Buch und die Kino-Adaption aus "jüdisch-bolschewistischer Unterwelt" auf. In der Abendvorstellung des 5. Dezember rissen Schreihälse, Schläger, Saboteure die Kontrolle im Kinosaal an sich: Mit lärmenden Drohungen, Prügeln, Stinkbomben, endlich durch Scharen freigelassener Mäuse heizten sie dem Tumult im Saal so ein, dass die Polizei nur mehr ohnmächtig zusehen konnte. In den Folgetagen weiteten sich die braunen Proteste und die Gegenaktionen zu Aufmärschen und bürgerkriegsähnlichen Spannungen aus. Schnell erwirkten Länder mit Nazi-Regierungen eine neuerliche Prüfung des Films - der, heute vor achtzig Jahren, wirklich verboten wurde: wegen "Gefährdung des deutschen Ansehens" und "Herabsetzung der Reichswehr". Ein Sieg der faschistischen Kulturwächter, der noch Jahrzehnte nach ihrem Untergang nachwirkte: Erst seit 1984 ist "Im Westen nichts Neues" wieder im vollständig restaurierten Original zu sehen.