Sehnen ist ein inniges Verlangen, schmerzlich manchmal, wenn es auch mehr mit Weh zu tun hat statt mit Pein – ein eher friedliches Gefühl. Anders die Sucht: Ins Krankhafte, in eine Zwillingsschwester der Gier wächst sie sich bisweilen aus. „Sehnsucht“ lautet das Thema des Arche-Literaturkalenders fürs Jahr 2008. Das Titelblatt vereint Arthur Miller und Marilyn Monroe bei sorglos heiterer Zärtlichkeit; wer beider Geschichte kennt, weiß, wie tragisch sie endete. Zwischen Liebe und Tod, wie das Leben, breitet die Literatur ihre Geschichten aus; mal sehnend, mal süchtig nimmt der Leser und Theaterzuschauer Anteil – und darf nun beides auch beim Blättern in jenem Jahresweiser: Woche für Woche kann er neue Texte lesen und die oft ungewöhnlichen, stets charakteristischen Porträts der Autoren – Proust und Tschechow darunter, Irmtraud Morgner und die Schwestern Brontë – mit Augen ergründen. In erneuerter Typografie und grafisch kunstvoller Blattgestaltung, nicht immer übersichtlich, doch durchweg sehenswert treten die Bild-Text-Kompositionen auf. Das letzte sehnsuchtsvolle Dichterwort (in einem Brief an Paula Modersohn-Becker, siehe oben auf dieser Seite) spricht übrigens Rilke – der neben den Bäumen vielleicht auch die Kalender meinte, als er herbstlich sang: „Die Blätter fallen, fallen wie von weit ...“ Michael Thumser