In diesen Tagen, wo an den Beginn des Zweiten Weltkrieges durch den Einmarsch der Nationalsozialisten in Polen erinnert wird, jährt sich noch ein anderes Ereignis, das erst später durch das Schicksal und den Mut eines jungen Mädchens einen Platz im allgemeinen Bewusstsein erlangte: Heute vor 65 Jahren bestiegen Otto, Edith, Margot und Anne Frank den letzten Zug, der vom holländischen Lager Westerbork nach Auschwitz fuhr. Einen Monat zuvor war die Familie in ihrem Versteck in einem Amsterdamer Hinterhaus verhaftet worden. Wer sie letztendlich verraten hat, ist bis heute nicht geklärt. Anne Frank, die am 12. Juni achtzig Jahre alt geworden wäre, war - im Vergleich mit ihrer älteren ruhigeren, gutmütigen Schwester Margot - ein lebhaftes, impulsives, kämpferisches Mädchen. Dass ausgerechnet sie die Jahre ihre Pubertät mit sieben anderen Menschen, darunter ihre Eltern, auf engstem Raum und in strengster Vorsicht verbringen musste, dürfte sie nicht wenig belastet haben. Streit mit der Mutter und mit anderen habe es da schon gegeben, berichteten Freunde später. Ein Ventil für die mühsam gezügelten Temperamentsausbrüche war für Anne das Tagebuch, das sie zu ihrem 13. Geburtstag geschenkt bekommen hatte - nur drei Wochen, bevor die Familie untertauchen musste. Was sie den Blättern zwischen den rot-weiß karierten Buchdeckeln über ihre Zeit im Verborgenen anvertraute, wurde in aller Welt bekannt und lieferte die Grundlage für Filme, Theaterstücke, Dokumentationen. Von Auschwitz aus wurden Anne und ihre Schwester - gezeichnet von Hunger und Typhus - zusammen mit mehr als 1300 anderen Frauen am 28. Oktober 1944 ins KZ Bergen-Belsen deportiert; und kurz nacheinander starben die Mädchen im März 1945, wenige Tage, bevor die Briten das Lager befreiten. Ein Gedenkstein in Bergen-Belsen erinnert heute an Margot Frank und ihre kleine Schwester, die in einem Massengrab verscharrt wurden. Anne Frank hat kein eigenes Grab. Sie lebt im Bewusstsein der Welt.
Kunst und Kultur Eine Kämpferin
Von Kerstin Starke 03.09.2009 - 00:00 Uhr