Zwölf Männer schmoren bei drückender New Yorker Sommerhitze im Beratungszimmer des Gerichtsgebäudes, wo sie eine Entscheidung fällen müssen. Die scheint unausweichlich: das Todesurteil für einen 19-Jährigen, der seinen brutalen Vater erstochen haben soll. Nur einer der Geschworenen "tanzt aus der Reihe", als wäre er der Judas, der Verräter unter elf wackeren Aposteln des gutbürgerlichen Rechts: Nummer 8 verlangt, über den Fall noch einmal skeptisch nachzudenken, gerade weil er allen so offensichtlich vorkommt. Mit den "Zwölf Geschworenen" glückte dem Kinodebütanten Sidney Lumet 1957 glanzvoll der Einstand als Hollywood-Regisseur. Im Jahr darauf hatte Autor Reginald Rose das Drehbuch zum Schauspiel umgearbeitet, das (vom Übersetzer Horst Budjuhn bearbeitend einem "übernationalen Verständnis" angepasst) für Jahrzehnte eines der erfolgreichsten US-Dramen auf deutschen Bühnen blieb; 1989 inszenierte es Intendant Reinhold Röttger im Hofer Städtebundtheater. Heute vor zehn Jahren starb Reginald Rose, der auch fragwürdige Streifen wie "Die Wildgänse kommen" und bewegende Melodramen wie "Ist das nicht mein Leben?" schrieb, mit 82 Jahren in Norwalk, Connecticut. In seinem Haupt- und Meisterstück formuliert Nummer 8 (die Geschworenen, einander fremd, tragen keine Namen) ein Grundgesetz der Demokratie, Gerechtigkeit und Philosophie: "Wir dürfen zweifeln, unsere Freiheit beruht darauf." So wird die juristische Verhandlung, der "Poker" um Schuld und Unschuld, zum Erkennntis-Prozess: Er enthüllt, dass zum Urteil über den Angeklagten weniger objektive Erwägungen führen als subjektive Vorurteile, Befangenheiten, Ressentiments. Gemischt aus Ideendrama, Thesenstück und packender Kriminalgeschichte entfaltet Rose ein Theater ohne Pathos, doch mit reinem Ethos. Zur Vorsicht vor dem vermeintlich Offenkundigen mahnt es und weist nach: Was der Geist für Wahrheit hält, ist nur die Summe von Wahrscheinlichkeiten.