Man kann über Charles-Édouard Jeanneret-Gris, der als Le Corbusier weltbekannt wurde, auf so manche Art berichten. Die Welt am Sonntag entschied sich unlängst für diese: "Im Herbst wäre Le Corbusier 125 Jahre alt geworden." Warum bloß wurde er's nicht? Klar, weil er, wie jeder Mensch, lang vorher, nämlich 1965, starb - eine Unsinnsformulierung, im Mediengeplapper heute gang und gäbe. Richtig muss es heißen: "Im Herbst" - nämlich am heutigen Samstag - jährt sich Le Corbusiers Geburtstag zum 125. Mal. Dass die Kulturwelt dieses Datums gedenkt, verweist darauf, dass sich der Architektur-Visionär, vom Futurismus und Kubismus kommend, unverzichtbar, wenn auch nicht unumstritten unter die Klassiker seiner Zunft gereiht hat. Mit nur achtzehn entwarf er seine erste Villa und hinterließ von da an mit spektakulären Bauten und Projekten Spuren in vielen Metropolen und Ländern der Welt. Die "vertikale Stadt" erhob er zum Ideal - ein kollektives Wohnen, das sich in den Himmel reckt. Dazu ersann er die Unité d'habitation, die "Wohnmaschine", wie er sie ab 1945 in Marseille und später in Berlin verwirklichte. Dort brachte er in den siebzehn Stockwerken eines Gebäudeblocks 530 Wohnungen unter. Jetzt baute ein Fachjournalist eine der 33-Quadratmeter-Einheiten in den Ausgangszustand von 1953 zurück: nüchterne Freiflächen zwischen 90-Grad-Wänden, Wohnraum und Küche verbunden durch ein Schiebefenster, zweckmäßig sachliches Mobiliar in dekorloser Leere ... Gewiss nicht jedermanns Inbild für Wohnlich- oder gar Behaglichkeit; der Zeitschrift Schöner wohnen war's dennoch unlängst einen "Tipp des Tages" wert. Später weichte Le Corbusier, der auch Einrichtungen und Accessoires entwarf und ein umfängliches malerisches Werk hinterließ, das puristische Regelwerk seiner frühen Konstruktionen auf. Gleichwohl blieb ein ausdrücklich unverspielter Rationalismus seine Grundidee. Er hatte nichts gegen Stadt und Zivilisation. Für ein bisschen Natur war auf dem Dachgarten Platz.