Rehau - Wäre Jean Paul rund 200 Jahre später geboren worden - zu Zeiten des Internets also, - würde er gerade an einem endlos langen Blog schreiben. Er würde schreiben und angesichts seiner Besessenheit einfach nie damit aufhören. Da sind sich die Autoren Martin Mosebach und Matthias Göritz einig. Als Teil der Reihe "Mein Kollege Richter - Schriftsteller über Jean Paul" haben sie sich am Samstagabend in der Rehau Art mit dem Werk des "unklassischen Klassikers" auseinandergesetzt.

Schnell stellt Mosebach, Träger des Georg-Büchner-Preises, fest: "Jean Pauls Arbeitsprozesse sind schwindelerregend." Nie könne er selber wie Jean Paul an mehreren Werken gleichzeitig arbeiten. Viel abstrakter noch als seine Art, zu arbeiten, sei aber seine Art, zu formulieren. Jean Paul ist laut Göritz ein "wahrer Wortmaler", der es schafft, unsichtbare Dinge lebendig zu machen. "Hinzu kommt, dass Jean Paul ein genialer Metaphern-Erfinder ist", findet Mosebach. Wer sich Jean Pauls Werke genauer ansieht, wird jedoch feststellen, dass seine wilde Metaphorik nicht zwangsläufig der Veranschaulichung dient. Die extreme Verdichtung von kunstvollen Satzkonstruktionen fordert seine Leser ungemein. "Mehr als zehn Seiten Jean Paul am Tag, und Sie werden verrückt", urteilt Görlitz augenzwinkernd. Er selbst habe sich mit einer gewissen Hassliebe durch die Schriften seines Kollegen gekämpft. Göritz: "Jean Paul hat einfach wenig Narratives."

Und trotzdem fanden seine Zeilen zu seiner Zeit mehr Anklang, als man es zunächst vermuten mag. Es waren vor allem Frauen, aber auch einfache Handwerker oder Bäcker, die seine Texte lasen. "Ich bewundere das Publikum der Zeit", gibt Göritz zu. Beim gegenwärtigen Leser breite sich eher Unbehagen aus, sobald er merke, dass aus dem Silben-Labyrinth Jean Pauls nur schwer zu entkommen ist. Geduld ist hier unabdingbar.

Und doch hören die Besucher an diesem Abend in der Rehau Art genau hin, wenn die beiden Autoren Passagen aus den "Flegeljahren" oder dem "Siebenkäs" vorlesen. Rhythmisierte und melodisch klingende Sätze schweben durch den Raum und lassen die Grenzen zwischen Prosa und Lyrik verschwimmen. Besonders angetan zeigt sich Matthias Göritz von der "Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab". Göritz zufolge ist dies das "berührendste Stück aus deutscher Zeit", das vor allem durch seine Ehrlichkeit besticht. Und das auch bei dieser Jean-Paul-Lesung Eindruck hinterlässt.