Weil jetzt pass auf: Der Brenner hat meistens gar keine Lust, den Helden zu spielen. Geschweige denn das Talent. Fehlbesetzung also, wirst du sagen. Aber ein Sturkopf, das ist der Brenner schon. Kombiniert mit ein bisschen Dusel und der Tatsache, dass er meist arg unterschätzt wird, findet er doch immer manches heraus. Zum Beispiel in "Wie die Tiere": Der fünfte von Wolf Haas' sieben Romanen um Detektiv Simon Brenner beginnt mit der Suche nach einem Hunde-Mörder - und endet mit ein paar ganz menschlichen Leichen.

Wolf Haas schreibt, wie er es einem Gegenüber erzählen würde, am Stammtisch zum Beispiel. Mit Anrede oft, mit Ankündigung oft, mit Formulierungen, bei denen du denkst: Umgangssprache. Aber was da steht, ist durchkonstruiert bis ins Kleinste. Volle Absicht, quasi. Wolf Haas hört man eher, gefühlsmäßig, als dass man ihn liest.

Der Brenner, 19 Jahre Grazer Polizei, dann Privatdetektiv, dann Sanitäter, dann ein bisschen Kaufhausdetektiv, jetzt großes Ziel: Frühpension. Aber weil die Amtsärztin in Wien es sehr genau nimmt mit der Antragstellung, braucht er erstmal einen Job. So nimmt er den Auftrag vom Puffbesitzer Schmalzl an: Er soll den finden, der im Augarten die tödlichen Hundekekse streut. Und er findet sich ganz schnell wieder in einem echten Krieg.

Denn der Augarten ist in zwei Teile geteilt. Auf der einen Seite die militanten Mütter mit ihren verhätschelten Kindern, sprich: Spielplatz. Auf der anderen Seite die Pensionisten mit ihren raschelnden Jogginganzügen und den kläffenden Kötern. Jetzt natürlich: Pensionist bei den bürgerkriegsähnlichen Tätigkeiten im Augarten immer im Vorteil. Weil: Selbst der lockigste Pudel beißt besser als das bösartigste Balg. Daher die Logik: Wollten sich die Mamas eben auch mal wehren und haben ihre gebrauchten Labello-Kappen für die Hunde mit Stecknadeln bespickt.

Jetzt muss man sagen: Der große Denker ist der Brenner nicht. Der große Grübler aber, das schon. Seine Lieblings-Taktik: Bloß nicht versuchen, an die Lösung des Falls zu denken, dann schwirrt sie irgendwann von alleine in den Kopf. Ob als Gitarren-Sound vom Jimi Hendrix, den er dann nicht mehr aus dem Hirn kriegt. Oder, in diesem Fall: als das ätzende "Mama" vom Heintje, das ihn über Wochen verfolgt, und ihn schließlich auf die richtige Spur führt. Und fast in den Tod.

Was so schön ist am Brenner: Die Geschichten sind zwar Krimis, mit Mörder und Verdächtigen und diesem ganzen Familien-Filz, in das auch Fernseh-Kommissare gern geraten bei ihren Ermittlungen. Hauptsächlich aber sind sie Erzählungen, in denen viel sinniert wird. Denn man darf nicht glauben, dass eine Geschichte über einen, der nicht gradeaus denken kann, geradlinig erzählt wird. Da geht es vom Hundertsten ins Tausendste und vom Tausendsten ins Millionste, und zwischen zähen Gedanken-Schleifen über die Unarten des Fingernägellackierens und der Frage, ob die Ohrfeige fürs Kind mit der flachen Hand oder als "verkehrte", schlüpft plötzlich in einem Nebensatz die Lösung des Falls in die Geschichte.

Das hat Wolf Haas in den 16 Jahren, seit es den Brenner gibt, zu einem der gefeiertsten Krimi-Autoren im deutschsprachigen Raum gemacht. Und nicht nur sprachlich sind sie top, die Brenner-Krimis - auch inhaltlich. Die kriminelle Kreativität des Autors macht fast schon Angst. So etwas muss man sich nämlich erstmal ausdenken: dass in "Der Knochenmann" einer seine Feinde zu Schnitzeln frittiert, dass in "Auferstehung der Toten" jemand vielleicht absichtlich zwei Leute über Nacht im Skilift vergessen hat oder dass in "Der Brenner und der liebe Gott" ein verschwundenes Kleinkind erst durch eine Nahtoderfahrung in der Jauchegrube wieder auftaucht.

Den Brenner mag man, oder man mag ihn nicht: So viel umständliches Erzählen ist nicht jedermanns Sache. Aber wem's gefällt, der verschlingt die Bücher. Und freut sich bei jedem aufs Neue: Weil jetzt ist schon wieder was passiert. Christoph Plass

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Wolf Haas: Wie die Tiere. Rororo,

Taschenbuch, 224, Seiten, 8,95 Euro.

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