Rapunzel, das hoch im Turm verschlossene Märchenmädchen, zerrt den Geliebten sogar an ihrem langen Haar zu sich ins Zimmer. Die Rede ist hier von den hornigen Hautanhanggebilden auf dem Haupt - an diskreteren Stellen des Körpers, auf dem etwa fünf Millionen Haare sprießen, törnen sie paarungsbereite Zeitgenossen derzeit eher ab; erst recht tun's Haare auf den Zähnen. Wer einen roten Schopf trägt, gerät noch heute manchmal in Verruf. Früher galt dergleichen als Merkmal der Bösartigkeit: Aufgrund von an den Haaren herbeigezogenen Beschuldigungen gerieten Frauen als Hexen auf den Scheiterhaufen - auch darum, weil ihr Haar die verdächtige Farbe aufwies. Auf alten Bildern tritt Judas, der abtrünnige Jesus-Jünger, oft mit rotem Strubbelkopf auf. Ein anderer Bibelheld, Simson, büßt seine Hünenkräfte ein, als Feinde ihm die Haare schneiden; und gewinnt seinen Mumm todbringend zurück, nachdem die Frisur nachgewachsen ist. Gegen natürlichen Haarausfall gibt es - dem kahlköpfigen Schauspieler Telly Savalas zufolge - nur ein probates Mittel: eine Glatze. "Hair!", so wie das legendäre Hippie-Musical, heißt eine Ausstellung in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, die bis zum 12. Januar 130 Gemälde und Fotografien, Objekte und Installationen von Riemenschneider bis Cindy Sherman miteinander konfrontiert. Ein Haar in der Suppe wird hier nur finden, wer Anstoß daran nimmt, dass in der Schau Haare nicht immer verlockend aussehen, sondern auch schon mal mit Abstoßendem in Beziehung treten. In einer anderen Ausstellung - jener über Büchner in Darmstadt (wir berichteten) - liegt ein kleiner Kreis aus Kräusel-Haaren blond unter Glas. Liebes-Souvenir, Andenken an den jugendfeurigen Poeten als fühlenden Menschen: Frohlocken durfte die Frau, die solche Locke erhielt.