Paris, immer mal wieder. Vor wenigen Tagen hielt ich mich mit meiner lieben Frau neuerlich in Frankreichs Hauptstadt auf, die wir als Metropole des gehobenen Lebensgefühls ebenso schätzen wie als Residenz der Kunst und des Geistes. Womöglich darum wurde vor einigen Jahren eben hier meiner Tochter Nele und mir unbemerkt eine scheinbar banale, in Wahrheit grundlegende Einsicht zuteil. Während einer Mittagsbrotzeit auf einer Bank im Jardin du Luxembourg deutete Nele auf ein schwarzes Hochhaus, das sich in einiger Entfernung hinter den Baumkronen düster und glatt in die Höhe reckte. "Was ist das für ein Gebäude", wollte sie wissen; und ich entgegnete, unkundig und vor Müdigkeit gleichgültig: "Man weiß es nicht, man weiß es nicht. Die einen sagen so, die anderen sagen so ..." Damals fanden wir's bloß albern und lachten. Jetzt, unmittelbar vor meiner diesjährigen Paris-Reise, stellte mich Nele im Badezimmer. Unentrinnbar in der Wanne gefangen, setzte ich mich gerade lesend mit der Geschichte und den Problemen des Denkens auseinander. Was ich da so konzentriert studiere, wollte Nele wissen, und ich beschrieb ihr zwei Taschenbücher aus dem Reclam-Verlag: Johann Pfisters "Philosophie. Ein Lehrbuch" und "Die großen Fragen" von Robert Zimmer und Martin Morgenstern (8,80 und 14,95 Euro). Dabei lobte ich die beiden Darstellungen, weil sie einen ungeschulten Interessenten wie mich endlich verständlich über die Positionen heller Köpfe zu Themen wie Vernunft, Moral, Sprache, Gerechtigkeit, Freiheit unterrichteten. Freilich, schränkte ich ein, sei dabei vor allem eins zu lernen: dass sich zu jeder Lehre, zu allen Theorien starke Gegenargumente herbeiführen ließen; jedem noch so ausgetüftelten Gebäude des Verstands drohe also unverzüglich die Zerstörung. "Fest steht allein dies", resümierte ich: "Man weiß es nicht. Die einen sagen so, die anderen so." Blitzartig erleuchtet - während eines Wannenbads! - verstand ich da die einzig unanzweifelbare, unbedingt wahre philosophische Erkenntnis. Doch sogleich dampfte eine neue "große Frage" aus den heißen Wassern auf: Wie kann ich etwas verstehen, das ich nicht weiß?