Rund um den Times Square ging nichts mehr: 30 000 vornehmlich junge Leute, weibliche zumal, legten den Verkehr im glitzernd pulsierenden Herzen von New York lahm. Im Paramount Theatre sollte Frank Sinatra auftreten; das brachte die Massen um den Verstand. 1944 war das mit 29 Jahren galt der Sänger als magnetkräftigstes Teenie-Idol der USA. Kaum ein paar Jahre alt war sein Erfolg und noch immer zerbrechlich. 1937 hatte Sinatra, Sohn eines mittellosen Feuerwehrmanns italienischer Abstammung aus Hoboken/New Jersey, mit Night and Day einen Amateurwettbewerb gewonnen. Wenig später verpflichteten ihn so bedeutende Big-Band-Leader wie Tommy Dorsey. Doch die sternenstürmende Karriere schien 1952 zu knicken, als Franky Boy eine Stimmbandblutung erlitt. Da ließ der kippende Star seine Kontakte zur Mafia spielen: Unter deren Druck wurde er, für die Spottgage von 8000 Dollar, in Fred Zinnemans Hollywood-Melodram Verdammt in alle Ewigkeit besetzt und triumphierte. So war auch noch ein Oscar-prämiierter Leinwandheld aus dem Sänger mit dem schmelzenden Schmusebariton geworden. Die Stimme übrigens gesundete, so vollständig, dass Sinatra, bald als The Voice legendär, unvergleichlichen Ruhm und Reichtum mit ihr erlangte: 900 Millionen Dollar soll er besessen haben, als er heute vor zehn Jahren in Los Angeles starb. Drei Jahre zuvor hatte er sich, achtzigjährig, aus der Welt des Entertainments verabschiedet, die ihm jahrzehntelang zu Füßen lag. Bis heute fasziniert er durch sein staunenswertes Multitalent wie durch Zwielichtigkeit. Niemandem leistete er bedingungslos Gefolgschaft, nur sich selbst. So unterstützte er den demokratischen Präsidenten John F. Kennedy ebenso wie später den reaktionären Republikaner Ronald Reagan. Vier Frauen, darunter Ava Gardner und Mia Farrow, schlossen die Ehe mit ihm. Millionen andere weltweit ließen sich sehnsuchtsvoll in der Ferne verzücken. Die wählerische Marlene Dietrich hielt ihn für den Mercedes-Benz unter den Männern.
Kunst und Kultur Mercedes-Mann
Von Michael Thumser 14.05.2008 - 00:00 Uhr