Nachdem er Adolf Hitler kennengelernt hatte, soll er vermutet haben: "Dieser Mann ist wahnsinnig." Und als er die Nachricht vom Selbstmord des Tyrannen erhielt, brachte er mit einem Weinglas in der Hand als Trinkspruch aus: "Der blutigste Phrasendrescher der Weltgeschichte ist ausgelöscht." Nicht lange davor freilich hatte es Gerhart Hauptmann noch sehr in Ordnung gefunden, dass die Größen des Nazi-Regimes ihn mit respektvollen Phrasen hofierten. In ihm bündelt sich die Widersprüchlichkeit vieler Intellektueller, die nach der Machtübergabe an den "Führer" im Lande blieben und denen es nicht gelang, sich redlich zu nähren. Der Opportunismus Hauptmanns, der heute vor 150 Jahren im schlesischen Ober-Salzbrunn zur Welt kam, ist heute weitgehend vergessen, so wie das klassizistische Spätwerk des Dichters, der sich auch äußerlich, mit Haupt und Haltung, seinem Idol, dem alten Goethe, anzugleichen suchte. Im Gedächtnis blieb das "naturalistische" Erbe des Bühnenautors, mit dem er zum Hauptvertreter eines konsequenten, brennend gesellschaftskritischen Realismus in Deutschland wurde. Zum runden Geburtstag brachte der Hörverlag "Die bedeutendsten Romane und Theaterstücke des großen Dramatikers" heraus; und übertreibt dabei: Denn die "Große Hörspieledition" enthält auf ihren acht CDs keinen einzigen der (gleichfalls vergessenen) Romane; überhaupt kein Prosastück; nicht einmal die wegweisende Novelle über den "Bahnwärter Thiel". Dafür bietet sie sechs seiner oft skandalträchtigen, gar den Kaiser erzürnenden Dramen in schauspielerisch exquisiten Funkproduktionen; die jüngste entstand 1962, die älteste 1949, drei Jahre nach Hauptmanns Tod. Zur Auswahl gehören etwa "Der Biberpelz", "Die Ratten" - und natürlich "Die Weber". Ausgerechnet dieses Meisterwerk sorgte dafür, dass Hauptmann den Literaturnobelpreis erst 1912 erhielt und nicht schon zehn Jahre früher. Damals hatte die Schwedische Akademie befunden, das Stück hetze dazu auf, die Villen ausbeuterischer Fabrikanten zu stürmen.