Bayreuth – Sie haben Glück: Wenn „Voces 8“ in der Region auftreten, lacht die Sonne. Das war so in Himmelkron, wo die großartigen A-cappella-Künstler dem Festival Mitte Europa 2014 die Ehre gaben. Und
jetzt, am Samstag bei der Musica Bayreuth in der Stadtkirche, da strahlte der Himmel nicht minder. Angemessen ist das insofern, als das Licht beseligend in etlichen Texten ihres Programms glimmt oder gleißt, worauf Countertenor Barnaby Smith hinweist; und in der „luminösen Satzkunst“, fügt er hinzu, strahle es genauso.


Strahlen können auch Gesichter. Die der Sängerinnen und Sänger tun es, jubeln ihnen doch 400 Besucher im piekfein renovierten Gotteshaus nicht erst am Schluss hingerissen zu. Die Vokalisten bedanken sich lachend – obwohl ein leichter Schatten sogar über diesem schillernden Abend liegt: Zu siebt muss das international gefeierte, die UK-Charts stürmende Ensemble aus England auftreten; eigentlich ist’s ein Oktett, aber ein Tenor fehlt, eines zum Glück glimpflichen Autounfalls wegen.

Wahrscheinlich strahlte das Gesicht des Renaissance-Meisters William Byrd, als er die Motette „Sing Joyfully“ schuf: Singt fröhlich. Den Titel nimmt die Truppe wörtlich, zwei Stunden lang. Die sieben swingen, schnippen und tänzeln – etwa zu Jerome Kerns „I Won’t Dance“ –, greifen in die unsichtbaren Saiten der Luftgitarre und sind sich auch für Clownerien nicht zu schade. So darf bei einem komisch choreografierten Opern-Medley von „Carmen“ über „Lakmé“ bis „Rigoletto“ jeder mal mit spitzen Ellenbogen die Diva geben. „Il est bel et bon“, singen zwei der Damen und zwei der Herren, die während eines spöttischen Madrigals von Pierre Passereau zu Klatschweibern mutieren: Es ist schön und gut.

Ist es wirklich. Dazu trägt nicht allein die ungezwungene Stimmung bei. Die Stimmen – drei Soprane sowie je ein Countertenor, ein Tenor, ein Bariton und ein Bass – bannen das Publikum vor allem durch ihre außerordentliche Schönheit, die in keinem Fall auf Kosten der Natürlichkeit geht, durch vollendeten Gleichklang, eine genau abgewogene Zuordnung jedes einzelnen Parts zu den anderen. Markant akzentuieren die Sänger die Rhythmen, geschmeidig, aber unzertrennlich bleiben sie in allen Verläufen. Es wird einem wohlig warm, wenn sie singen. Es wird Licht: „Lux“ heißt denn auch ihre jüngste, vom Nobel-Label DECCA
vertriebene CD.

Der Trick bei ihrer Nuancierungskunst: Dynamisch denken sie stets von den leisen Registern aus. So verschaffen sie jeder Feinheit und Tönung, die sie hervortreten lassen, umso stärkere Bedeutsamkeit und Wirkung. An Effekten, knalligen sogar, fehlt es freilich nicht, schon gar nicht bei den jazzigen, swingenden, poppigen Beiträgen. Die legendäre „Mrs. Robinson“ von Simon und Garfunkel schicken sie in den Himmel, wo die sieben kurz vorher Kate Rusby unterhalb der Sterne, „Underneath the Stars“, aufgespürt haben.

Dass sie in einer Kirche auftreten, vergessen sie nicht. Für die „amazing acoustics“, die fabelhafte Akustik, loben sie die Stadtkirche wiederholt. Und viel Geistliches tragen sie vor. Passend zum Muttertag intonieren sie direkt vor dem Altar, wie aus der Ferne, „Mother of God, Here I Stand“ des 2013 gestorbenen John Taverner, faszinierend rein, perfekt ausbalanciert in Klangstärken und -farben. Aber auch die Kraft des Kontrastes wissen sie freizusetzen: etwa wenn sie auf die andächtige Kontemplation in Ola Gjeilos „Ubi caritas“ George Gershwin antworten lassen, gepfeffert mit „I Got Rhythm“.

Den Geist der Gregorianik und den der alten Ostkirche vermählen sie in einem Triptychon: Das „Ave Maria“ aus Sergej Rachmaninows „Großem Abend- und Morgenlob“ ummanteln sie mit zwei Vertonungen von „Te lucis ante terminum“ durch Thomas Tallis. Dazu schreiten sie das Kirchenschiff der Länge nach wie einen Klangraum aus. Bis zum „Verschwinden des Lichts“, das sich in ihrer Prozession ankündigt, ist’s an jenem sonnigen Sonntagabend indes noch eine Weile hin. Eine tonkünstlerische Offenbarung und eine Erleuchtung
fürs Gemüt erlebt das Publikum: Es ist glücklich bestrahlt.