Seine Mutter wollte nicht „mit einer Lüge sterben“ und offenbarte darum ihrem Sohn, dass sie gar nicht seine Mutter sei. So machte sich der Sohn, der mehr als sechzig Jahre lang bürgerlich als Holger Mischwitzky firmierte, auf die Fahndung nach seinem richtigen Namen, der wahren Geschichte. Viel fand er nicht heraus – immerhin unzweifelhaft dies: dass er, morgen vor 65 Jahren, im Zentralgefängnis im lettischen Riga das vergitterte Licht der Welt erblickte und in Wahrheit Radtke heißt. Eine aufregende Geschichte: Unterm Titel „Meine Mütter“ erzählte sie der Spurensucher bei den vergangenen Hofer Filmtagen und erntete für seine Dokumentation bei Publikum und Kritik so viel Zuspruch wie beileibe nicht für alles, was er so dreht. Dem Festival trägt der Regisseur, unterm weit berühmteren Pseudonym Rosa von Praunheim, seit langem regelmäßig Arbeiten aus seiner kaum überschaubaren Produktion bei. Deren Gütespektrum reicht von der peinlichen Trash-Petitesse bis zum bewegenden Mitmenschen-Porträt und einfühlsamen Lebensbild. Mutig trieb Praunheim die Schwulen- und Lesbenbewegung hier zu Lande aus dem Schatten der Heimlichkeiten, zu einer Zeit, als „Perverse“ noch mit Gericht und Gefängnis rechnen mussten. 1992 allerdings vermaß er sich, reihenweise andere, vermeintlich oder tatsächlich schwule Prominente zu outen – und bezog dafür zu Recht Hiebe von allen Seiten. Freilich liebt Praunheim die Provokation, schon in den Titeln seiner Filme: „Die Bettwurst“ und „Ich bin meine eigene Frau“, „Tunten lügen nicht“ oder „Kühe, vom Nebel geschwängert“. Mit dem Frühwerk „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ formulierte der bekennenden Sex-Maniac mit dem hellen Kopf und der magnetisch modulierenden Stimme bereits 1971 für sich und die Seinen ein Programm. Hof übrigens findet er so „schrecklich“, dass er fürchtet, von all der „Hässlichkeit“ hier impotent zu werden. Indes hielt ihn die Angst vor fünf Jahren nicht davon ab, sich mit einer autobiografischen Geburtstags-Doku zum Sechzigsten selbst zu feiern, sehr wild, sehr lärmend: „Pfui Rosa!“