Hof - Nach dem größten Entfesselungskünstler Harry Houdini vor eineinhalb Jahren widmet das Theater Hof nun dem vielleicht größten Denker und dem Inbegriff des Forschers und Genies ein eigenes Musical: Albert Einstein. Im Auftrag des Hauses haben der Komponist Stephan Kanyar und die Autorin Maren Scheel "Einstein - das Musical" verfasst; am Freitag geht in Hof in der Regie von Intendant Reinhardt Friese die Uraufführung über die Bühne.

Ausgangspunkt des Stückes ist der Pathologe Dr. Thomas Harvey, der sich nach Einsteins Tod 1955 über dessen Anweisungen hinwegsetzte und das Gehirn entwendete; er wollte es sezieren und so dem Genie auf den Grund kommen. Erst 1997, nach vergeblichen Ringen gab er es zurück. Anhand von Erinnerungen des Bühnen-Harveys, der zunehmend dement wird, beleuchtet das Stück Höhepunkte in Einsteins Leben - als Junge, als junger Mann und als alter Wissenschaftler.

"Vor etwa zweieinhalb Jahren kamen Stephan Kanyar und Maren Scheel mit ersten Entwürfen zu uns", berichtet Reinhardt Friese. "Unser diesjähriges Spielzeitmotto ,Hexen, Forscher, Gotteskrieger' zeichnete sich damals schon ab, und der Stoff passt dazu wie die Faust aufs Auge; auch jährt sich heuer die Entwicklung von Einsteins Relativitätstheorie zum 100. Mal. Darüber hinaus sind die Forschung, ihre Möglichkeiten und Risiken immer ein spannendes und aktuelles Thema."

In den zwei Jahren seitdem, ja sogar noch zuletzt, in den sieben Wochen Probenzeit, hätten, verrät er, Autorin, Komponist, er selbst und die Darsteller immer wieder am Stück gefeilt. "Es war ein ständiges Überprüfen, ob eine Zeile, eine Szene funktioniert; wir alle mussten da sehr uneitel sein und durften nicht auf unsere Vorstellung pochen. Als Regisseur ist mein Verständnis von einer Uraufführung zwar, nicht sklavisch am Text zu hängen; ich will aber, dass Komponist und Autor bei der Premiere das Gefühl haben: Das ist immer noch mein Stück."

Maren Scheel und Stephan Kanyar sind, das wurde bei der Matinee deutlich, zufrieden, wie sich ihr Musical in Hof entwickelt hat. "Wir sind extrem froh", betonte die Autorin, "dass wir damit hier ein Zuhause gefunden haben. Aus unserem Stück ist mehr geworden, hier, wo wir drei so tolle Einstein-Darsteller und einen umwerfenden Harvey haben."

Auch der Komponist ist des Lobes voll: "Hof hat mir hervorragende Arbeitsbedingungen geschenkt, etwa mit den Hofer Symphonikern; auch hat mir die Konstellation mit Harveys Erinnerungen fantastische Möglichkeiten eröffnet, tolle Musical-Momente aufblühen zu lassen." Neben einem Tango, der auf die Berliner Jahre Einsteins Bezug nimmt, einer Trachtennummer als Referenz an seine Münchner Zeit oder auch einem Konzertmarsch unterlegt Kanyar die Figur Harvey mit "musikalischen Ideen, die ihn umflirren". Die Musik, die auch Ballett und Opernchor einbindet "hat uns als allererstes überzeugt: Sie ist vielfältig, eingängig, kultiviert und anspruchsvoll", freut sich Regisseur Friese.

Die immer mehr um sich greifende Umnachtung des Erzählers spiegelt sich auch in Annette Mahlendorfs Bühnenbild: Je mehr Harvey den Bezug zur Realität verliert, desto mehr löst sich die Szenerie auf, bis hin zum völligen Nirwana. Umso konkreter bleibt die Ausstatterin bei den Kostümen. "Wir haben lange recherchiert, damit die Kostüme historisch korrekt sind." Dabei erscheinen die Personen auf der Realitätsebene Harveys bunt, die Erinnerungen an Einstein sind in Schwarz-Weiß gehalten. Das bedeutete einen riesigen Aufwand für die Schneiderei, die alleine 140 verschiedene Kostüme herstellen musste.

Das Stück sei keine Comedy-Show, erläutert der Regisseur, sondern ein Drama-Musical, in dem philosophische, gesellschaftspolitische und ethische Fragen eine Rolle spielen. Wenn den Zuschauer auch nicht zweieinhalb Stunden Physikunterricht erwarteten, so gehe es doch um den Wissenshunger, darum, "wie wichtig und prägend er für eine Gesellschaft ist, und die Erkenntnis, dass man mit den Ergebnissen gewissenhaft umgehen muss". Es gehe um die Auswirkungen von Forschung auf die Menschen. Beim Abwurf der Atombombe, die er mit seiner Arbeit auf den Weg gebracht hatte, etwa komme der Punkt, wo sich Einstein klarmachen muss, dass er für sein Tun auch Verantwortung trägt. Friese: "Ich glaube, dass wir alle uns dringend wieder der Verantwortung von Forschung und ihrer Weiterentwicklung stellen müssen - nicht nur, was Atomenergie angeht; das betrifft auch Dinge wie Missbrauch des Internets oder Genforschung."

Wie das Musical solch bedeutende Überlegungen ernst zu nehmend und doch unterhaltsam umsetzt, demonstrierten in der Matinee einige Solisten: Christopher Brose als junger Einstein und Thilo Andersson als Harvey sangen "Gott würfelt nicht", Chris Murray stellte mit "Sternenstaub" ein "Liebeslied Einsteins an das Universum nach dem Atombomben-Abwurf" vor. Darin heißt es an einer Stelle: "Kein Platz für Hass und Rassismus, unser Kompass heißt Humanismus."

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Der Komponist Stephan Kanyar und die Autorin Maren Scheel bieten vor der zweiten Vorstellung am Samstag ab 18.45 Uhr im Studio eine Einführung zum Stück an.

www.theater-hof.de

Der Komponist

Stephan Kanyar, geboren 1972, arbeitet als freier Komponist, Dirigent und Pianist. Seine Kompositionen umfassen Bühnenmusiken, Musicals, Fernsehmusiken, Liederzyklen sowie konzertante Werke. Neben seiner Tätigkeit als Komponist ist Kanyar auch als Dirigent und gefragter Klavierbegleiter tätig. Bislang gelangten seine Musicals "Frankenstein" in Ingolstadt, "Lulu" und "Shylock!" in Innsbruck, "Die Erschaffung der Welt" in Essen und "Casanova" in Dessau zur Uraufführung.