Langwierig mit Romanen hielt sie sich nicht auf. Sie vollendete die kleine Form. Vier Geschichtensammlungen brachte sie heraus, eine fünfte und die letzte, "Etwas Kindliches, aber sehr Natürliches", erschienen postum - zusammen nicht mal tausend Seiten. Aber sie genügten, Neuseeland auf der Landkarte der Weltliteratur zu verorten. Hier, in Wellington, kam Mansfield heute vor 125 Jahren zur Welt, ohne es lang dort auszuhalten. Vom philiströsen Elternhaus, das ihr bedrohlich doppelbödig vorkam, strebte sie in eine größere Welt, von Insel zu Insel: nach England. Auch weiterhin wechselte sie oft die Unterkunft, sogar das Land: "In einer deutschen Pension" nannte sie 1911 die erste Sammlung ihrer autobiografisch gefärbten Erzählungen. Im französischen Fontainebleau starb sie vor neunzig Jahren, am 9. Januar 1923: Über die erst 34-Jährige hatte die Tuberkulose triumphiert. Etwas Fragiles, Flüchtiges, unstet Ungefähres, wie es ihr selber eigen war, hat ihre Prosa auch: Obwohl Mansfield - von Tschechow kommend und vorausweisend auf Fitzgerald und Hemingway - zu den Pionieren der Kurzgeschichte moderner Prägung zählt, schuf sie keine Geschichten im herkömmlichen Sinn, vielmehr episodisch und in vielerlei akkurat beobachtete Eindrücke zersplitterte Stimmungs- und Seelenbilder, atmosphärische Andeutungen von Situationen und Gestalten. Im Vorwort zur zweibändigen Übersetzung ihres OEuvres beim Diogenes-Verlag schwärmt ihr Landsmann Anthony McCarten von ihr als einer "hymnischen Verehrerin des Augenblicks und der kleinen Dinge". Melancholisch oder humorvoll brachte sie's zur Meisterin des poetischen Maßhaltens ebenso wie der Schrecksekunde und des Blitzlichts - eine "Impressionistin", Eindruckskünstlerin, von internationalem Rang.