Als Festtag genossen die braven Württemberger den Tag der Exekution. Zwar hätte der Umstand stören können, dass jener 4. Februar 1738 auf einen Dienstag fiel; denn an Dienstagen pflegten etliche Brautpaare zu heiraten. Doch die Pfarrherren der Stadt erlaubten, die Hochzeiten ausnahmsweise auf Montag vorzuverlegen. So stand nichts dem perversen Vergnügen der 12 000 Christenmenschen im Weg, die Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer sterben sehen wollten. Zwölf Meter ragte der Galgen vor der Stadt auf, an dessen Ende ein Eisenkäfig auf den Verzweifelten wartete. Dort erwürgte ihn der Henker mit einem Seil. Höhnend rief aus der Menge ein Pastor dem jüdischen Delinquenten nach: "Nun wirst du Jesus sehen." Sechs Jahre lang verfaulte der Leichnam schmählich zwischen den Eisengittern - als grausige Mahnung. Bevor jener Joseph Süß Oppenheimer aufs Schandgerüst emporsteigen musste, war er zum Geheimen Finanzrat Carl Alexanders, des (katholischen) Herzogs im (evangelischen) Württemberg, aufgestiegen - und tief gefallen, kaum hatte der Landesherr den letzten Atemzug getan. Als "Jud Süß" machte man ihm den Prozess. Hatte doch der Herzog, verschwenderisch veranlagt, den Staatshaushalt dadurch sanieren wollen, dass er seinen Etatchef veranlasste, die geldwerten Vorrechte der Oberschicht zu beschneiden. Die schlug nun mit tödlicher Rachgier zurück. Spätestens Forschungen aus dem Jahr 2010 belegen eindeutig, dass es sich bei dem Urteil aus dem - von Intrigen, Denunziationen und Rechtsbeugungen vorangetriebenen - Schauprozess um einen Justizmord handelte, begangen aus niederen, nämlich politischen und judenfeindlichen Motiven. So ließ denn auch Joseph Goebbels 1940 den Stoff vom Regisseur Veit Harlan in einen Propagandafilm ummodeln. Als Grundlage diente womöglich ausgerechnet der Roman eines Juden: Freilich hielt der "Jud Süß" von Lion Feuchtwanger, 1925 erschienen, dem Antisemitismus der Weimarer Republik ehrenwert den Spiegel vor.