Allen sogenannten Fortschritt, außer vielleicht den sozialistischen, hielt Bertolt Brecht für zweifelhaft. Den der Wissenschaftler sowieso; in seinem Galilei-Stück gab er dafür Gründe an (siehe auch den Artikel unten). Erst recht war ihm suspekt, wenn bürgerliche Politik sich zu Wachstum und Veredelung berufen sah. Zwei Mal führen seine Dramen das Wort „Aufstieg“ im Titel: In „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (1930) bricht er den Kapitalismus im Zerrspiegel eines flüchtig florierenden Halbweltstaats, der unter allen Ganoven ausschließlich den zum Tode verurteilt, der kein Geld hat; wohin das führt, verrät das plakativ-wirkungsvolle Stück schon in der Überschrift. Eine andere Karriere vollzog der Autor, noch sarkastischer, im „Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui“ nach; am Montag jährt sich der Tag der postumen Uraufführung zum 50. Mal. Arturo – das ist Adolf; mit der Gestalt jenes drittklassigen Gangsterbosses will Brecht den Höhenflug Hitlers illustrieren; die Konjunktur, so wie in Mahagonny, wirkt auch hier entscheidend hinein, diesmal freilich, indem sie in eine tiefe Krise gerät. Durch Korruption und Mord sogar bringt Ui den Politiker Dogsborough alias Hindenburg auf seine Seite; ein Lagerhaus brennt, so wie 1933 der Berliner Reichstag brannte ... Er habe, schrieb Brecht, mit seiner Parabel der kapitalistischen Welt den Werdegang des Diktators verdeutlichen wollen, indem er ihn „in ein ihr vertrautes Milieu versetzte“. Unter den Tisch fiel dabei, dass Hitler nicht allein als Geschöpf der Reichen und Einflussreichen erstand; ein Heer arbeitsloser Proletarier, als verzweifelt-verblendetes Wahlvolk, gab ihm die Stimme. Momente von eindrücklicher Lachhaftigkeit enthält das Spiel dennoch: etwa die Szene, in der Ui, wie Hitler selbst, sich von einem Schauspieler in die Kunst der großen Pose und des großen Worts einweisen lässt. Und ein Wahrspruch steht im Text, der seine Gültigkeit niemals verliert: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch.“