Venus ist ein Mädchen. Göttlich mag man ihre Schönheit nennen, ihr Wesen ist es nicht. Dem Betrachter offenbart sich, auf neutral-dunklem Grund, eine kaum erwachsene Nackte, eine pudica, eine Schamvolle also: Mit einer Hand bedeckt sie eine ihrer Brüste, mit der anderen führt sie eine Strähne ihres langen Haars vom Rücken her verhüllend vor den unschuldigen Schoß. Die Göttin steht da als Menschenkind: Sie träumt und geniert sich nicht allzu sehr. So sah sie die Renaissance. So sah sie, am Beginn der Epoche, Sandro Botticelli. Mit jener Venus (die seine Malerwerkstatt in Serie produzierte und vertrieb) schuf er die erste lebensgroße Frauenaktfigur der neueren Kunstgeschichte.