Als sich vor fünf Jahren die Zeitung Die Welt anschickte, augenzwinkernd die "drängendsten Fragen" zum Leben und Treiben auf der Musikbühne zu beantworten ("Wer wäscht eigentlich den Theatervorhang?"), da lautete die allererste: "Müssen Opernstars unbedingt dick sein?" Den Eindruck könnte man gewinnen, wenn man sich an Titanen wie den 2007 gestorbenen, schier kugelrunden Luciano Pavarotti erinnert oder sich den Schiffskörper von Montserrat Caballé besieht, die mit ihren 81 Jahren noch immer öffentlich ihren naturgemäß nicht mehr recht sitzenden Sopran verströmt. Dieser Tage nahm sie in einem Interview Anstoß am Zeitgeist, der auch von Opernsängerinnen und -sängern verlange, gut auszusehen, am besten "schlank wie Modepuppen". An die von manchen Medien allzu gehässig, doch in der Sache nicht ganz zu Unrecht abgewatschte Irin Tara Erraught lässt das mitleidvoll denken, die im Mai beim "Rosenkavalier" des Glyndebourne-Festivals zwar beseligend sang, aber kaum in die Hose der Hosenrolle des Octavian passen wollte. Die britische Presse verbiss sich grausam in die 27-Jährige, ihre "plumpe Figur" und ihren "Babyspeck". Früher, erinnert sich Montserrat Caballé, war das anders, besser: "Wir haben gegessen, um zu Kräften zu kommen." Jahrhundertelang habe in der Oper die Anmut der Musik, nicht die des Sängers gezählt. Mag sein. Doch muss sich auch die einst große Sängerin fragen lassen, ob sie, trotz der damaligen Schönheit ihrer Stimme und jener der Oper, die Mimi in Giacomo Puccinis "Bohème" als Fünfzigerin in der Fülle ihres Fleisches besser nicht mehr hätte singen sollen - ein mageres Mädel, das gleich beim ersten Auftritt einen Schwächeanfall erleidet und im letzten an der Schwindsucht stirbt. Auch die virtuelle Wirklichkeit des Theaters lässt nicht jeden Widersinn durchgehen. Neben ungeeigneten Wesenszügen kann ebenso eine der Rolle unangemessene Körperlichkeit einen Künstler als Fehlbesetzung verurteilen. Schön muss keiner sein - die Bühnenfigur muss stimmen. Wo Theater Genuss ist, da isst das Auge mit.