Hof- Als Alexander Deeg ein Bub war, besuchte er oft seine Oma in Pilgramsreuth. Sie spielte mehr als 60 Jahre lang die Orgel in der Dorfkirche und der kleine Alexander saß im Gottesdienst und hörte zu. So erlebte er ganz nebenbei den langjährigen Pfarrer Martin Schwenk, einen lebenspraktischen und fröhlichen Menschen. "Er hat mir gefallen", erzählt Alexander Deeg. "Ich habe mir gedacht, so wie er es macht, könnte man Pfarrer sein." Heute ist Alexander Deeg Leiter des neu gegründeten Predigtzentrums der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Wittenberg. Der junge Theologe soll in dieser Eigenschaft "die Lust und die Leidenschaft am Predigen fördern", wie er sagt. "Die Predigt ist das Markenzeichen der evangelischen Kirche."

Es hat die Theologen selbst überrascht, wie viele Menschen sie mit ihren Gedanken erreichen können und wie wichtig die Predigt ist. Als die evangelische Kirche bundesweit fragen ließ, was Menschen im Heiligabendgottesdienst am wichtigsten ist, entschieden sich die meisten nicht wie erwartet für Musik oder Krippenspiel, sondern für die Predigt. Eine Million Menschen geht pro Sonntag in Deutschlands Kirchen, eine weitere Million sieht den Gottesdienst im ZDF oder hört die Predigt im Radio.

"Deswegen sollten wir uns leisten, intensiv daran zu arbeiten", findet Alexander Deeg. Viele Pfarrerinnen und Pfarrer seien erschöpft; sie könnten Impulse und neuen Mut gebrauchen. Bei den Seminaren in Wittenberg sollen sie bei Deeg und seinen zwei Mitstreitern beides bekommen.

Überraschend ist die Antwort, die Alexander Deeg auf die Frage nach der idealen Predigt gibt: "Wer eine gute Predigt halten will", sagt er, "muss intensiv hinhören. Wie reden Menschen, was denken sie?" Mutig und provozierend dürfe eine Predigt sein, auch politisch: "Ich würde Herrn Westerwelle gerne einmal erzählen, wie viel Sozialgesetzgebung im Alten Testament steckt und warum der Schutz der Armen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist."

Auch wenn er dank der Oma oft in die Kirche kam, war es Alexander Deeg nicht vorgezeichnet, dass er Theologe werden würde. "Unsere Familie ließ nicht darauf schließen, dass mal einer studiert", erzählt er. Der Vater war gelernter Porzellanmaler, die Mutter arbeitet als Verkäuferin in einer Bäckerei, die Großmutter war ihr Leben lang in der Schuhfabrik. Alexander Deeg wurde 1972 in Rehau geboren. Als er ein Jahr alt war, zog die Familie nach Hof. Neun Jahre später trennten sich die Eltern, er wuchs bei seiner Mutter in Hof auf. Nach der Konfirmation blieb er weiter in der Gemeinde der Dreieinigkeitskirche aktiv und machte im Kindergottesdienst mit: "Da habe ich gemerkt, dass es wahnsinnig Spaß macht, Glaube weiterzugeben, indem man Geschichten erzählt." Allmählich entwickelte sich die Vorstellung, Theologie zu studieren, und bei diesem Ziel blieb er, als er sein Abitur mit 1,0 machte, auch wenn er dafür innerhalb eines Jahres Latein, Altgriechisch und Hebräisch lernen musste.

Bereits in Hof begann ein Interesse, das sein Leben bis heute prägt: das für jüdische Kultur. Alexander Deeg war mit dem Sohn einer jüdischen Familie befreundet und fand die Atmosphäre dort sehr schön. Als er mit wachsender Begeisterung Hebräisch lernte, erkannte er, dass die biblischen Texte in ihrer Ursprache eine besondere Frömmigkeit vermitteln. Dank eines Stipendiums konnte er 1996/97 zwei Semester an der Hebräischen Universität in Jerusalem studieren. "Dieses Jahr war das beste, was ich hatte", erzählt er. Er habe von der jüdischen Tradition gelernt, die Bibeltexte sehr genau zu lesen, aber auch mit großer Freiheit zu interpretieren.

Heute ist der 37-Jährige einer der eifrigsten Fürsprecher des christlich-jüdischen Dialogs. Das Judentum sieht er als "Geschwister-Religion", Christen und Juden könnten viel voneinander lernen.

Nach dem Vikariat bleib Alexander Deeg acht Jahre lang als Assistent an der Uni Erlangen, wo er auch promovierte. Für seine Doktorarbeit erhielt er gleich zwei renommierte Preise. Im vergangenen Jahr berief ihn die EKD zum Leiter ihres Predigtseminars in Wittenberg, das im Hinblick auf das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 in jener Stadt angesiedelt wurde, wo Martin Luther 1517 seine 95 Thesen vor der Schlosskirche unters Volk brachte. "Luther hat gezeigt, wie man mit einer Predigt die Welt verändern kann", sagt der junge Theologe. "Man muss Vertrauen haben in die Kraft des Wortes."

Weitere Informationen:

http://www.predigtzentrum.de/