Länderspiegel Suche nach Atommüll-Endlager: Jetzt wird es ernst

Marco Hadem
Wohin mit dem Müll, den keiner will? Quelle: Unbekannt

Die Suche nach dem besten Ort für ein Atommüll-Endlager erreicht die erste wichtige Etappe. Am Montag wird ein Bericht veröffentlicht, der angibt, welche Gebiete in Deutschland genauer unter die Lupe genommen werden. Sind hier bayerische Regionen dabei?

 
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München/Wunsiedel - So sehr sich die Menschen in Bayern auch das Gegenteil wünschen - so sehr spielt der Freistaat bei der bundesweiten Suche nach einem Atom-Endlager eine wichtige Rolle. Ein Blick auf eine Karte zur Geologie zeigt warum: Alle theoretisch überhaupt infrage kommenden Gesteinsarten - Ton, Salz und Granit - finden sich hier. So markiert etwa in einer Karte des
Landesamtes für Umwelt aus dem Jahre 2010 im Osten Bayerns von Oberfranken im Norden über die Oberpfalz bis hin zur Grenze bei Passau in Niederbayern ein großer roter Bereich die dortigen Granitvorkommen - also auch das Fichtelgebirge, wo man die Diskussion schon langem mit Argusaugen verfolgt. In der Gegend um Ulm gibt es Ton und im nördlichen Unterfranken sowie im Berchtesgadener Land Salz.

Kein Wunder also, dass auch in Bayern mit großer Spannung der Zwischenbericht zur Endlagersuche erwartet wird. Am Montag ist es so weit. Eines ist jetzt schon klar: Der Zwischenbericht markiert eine wichtige Etappe im Suchprozess und er wird den in den vergangenen Jahren eingeschlafenen Dauerstreit um den gefährlichsten Müll der Menschheitsgeschichte neu befeuern.

Erstmals seit dem politischen Ausruf der "weißen Landkarte" 2013 werden wieder Regionen benannt, die wegen ihrer Geologie "Voraussetzungen für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten lassen", wie es im Endlagersuchgesetz heißt. Andere ebenso wichtige Kriterien wie die Bevölkerungsstruktur wurden en noch nicht berücksichtigt. Die Gebiete können daher noch ziemlich groß sein, es sollen mindestens zehn und höchstens 100 werden. Im Bericht steht für jedes Teilgebiet, warum es in der Auswahl ist. Orte außerhalb der Teilgebiete kommen schon einmal nicht infrage - aber Orte in einem Teilgebiet sind längst nicht als Standort ausgewählt.

Zum großen Ärger des restlichen Deutschlands steht für Bayerns Staatsregierung längst fest, dass der Freistaat nicht für ein Endlager infrage kommt. Zur besonderen Betonung haben CSU und Freie Wähler ihre Überzeugung im Koalitionsvertrag verankert. Was wie ein Affront gegen den von Bund und Ländern gemeinsam verabredeten Suchprozess klingt, hat für Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) eine ganz andere Ursache: "Bayern stellt sich der Verantwortung. Aber die politische Festlegung einer weißen Landkarte, nachdem man rund 1,6 Milliarden Euro in den Salzstock Gorleben investiert hat, darf man schon kritisch hinterfragen." Für Glauber und die gesamte Regierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) steht zudem fest, dass die hiesigen potenziellen Wirtsgesteine für das Endlager nicht den Sicherheitsanforderungen gerecht werden. "Wir wollen am Ende das Endlager mit der bestmöglichen Sicherheit, bei dem die Geologie entscheidet, nicht die Ideologie", betont Glauber und verweist auf die dafür notwendigen geologischen Barrieren, die in Bayern nicht vorhanden seien. "Wir müssen ein Endlager finden, das für eine Million Jahre sicher ist."

In Bayern gebe die Geologie das aber nicht her: So sei etwa der Granit zu zerklüftet, das Salzlager nicht mächtig genug und die Tonvorkommen wegen stark wasserführender Grundwasserleiter ungeeignet, heißt es auch im Bericht des Landesamtes für Umwelt. Dass die Meinung über das Gestein auch anders ausfallen kann, zeigt ein Blick über die Grenze nach Tschechien. Rund 125 Kilometer entfernt von Regensburg könnte schon bald auf dem Gebiet der Gemeinde Chanovice ein Atommüll-Endlager gebaut werden. Hier ist der Granit in der engeren Auswahl für ein Tiefenendlager.

Lesen Sie dazu: Welche Kriterien sind ausschlaggebend für den Bau eines Endlagers mit hochradioaktivem Müll? Der Chef des Geoinstituts an der Universität Bayreuth gibt Antworten >>>

Auch in Bayern gibt es andere Stimmen, wenngleich natürlich niemand gerne ein Endlager für rund 27 000 Kubikmeter hoch radioaktiven Müll in seiner Nachbarschaft haben will. "Ohne jede Fachkenntnis zu behaupten, dass es in Bayern keinen geeigneten Standort für Atommüll gebe, und dies auch noch in den Koalitionsvertrag mit den Freien Wählern zu schreiben, war bereits reiner Populismus", sagt Grünen-Landeschef Eike Hallitzky.

Hallitzky sieht den Freistaat zudem in einer besonderen Verantwortung: "Kein Bundesland hat so viel Atommüll produziert wie Bayern." Das verpflichte die Staatsregierung dazu, populistische Erklärungen zu unterlassen und fachwissenschaftliche Untersuchungen auch hier in Bayern zu akzeptieren und zu unterstützen - anstatt das Verfahren nun nach jahrelanger Arbeit zu torpedieren. "Nur so kann Bayern seiner großen Verantwortung für eine sichere Lagerung des deutschen Atommülls gerecht werden."

Tatsächlich verwundert es schon, dass Bayern sich einerseits überzeugt gibt, was die fehlende Eignung der Wirtsgesteine angeht, andererseits aber das Suchverfahren nicht mit großer Gelassenheit abwartet. Immerhin gilt hier doch das Primat der Wissenschaft. Für Glauber ist dafür der Verlauf des Verfahrens verantwortlich: "Anfangs hieß es weiße Landkarte. Da galt noch: Wir setzen auf einen sicheren Einschluss durch das Gebirge und untersuchen die Gesteinsarten Salz, Ton und Granit. Doch dann folgte eine Kehrtwende", sagt er.

Inzwischen heiße es, so Glauber, es könne auch ein zerklüftetes Kristallingestein sein, bei dem die Sicherheit hauptsächlich durch Technik hergestellt werden müsse. Dies würde auch auf Granit in Bayern zutreffen. "Damit wurde eine neue Tür geöffnet." Der Zeitplan für die Endlagersuche ist eng. Bis 2031 soll der Standort gefunden sein, um 2050 soll das Lager in Betrieb gehen. Die finale Entscheidung soll der Bundestag treffen. Geht es nach Glauber und der Staatsregierung, spricht viel für ein Endlager im niedersächsischen Gorleben, nicht nur, weil eine neue Suche viel Geld koste, welches angesichts der angespannten Volkswirtschaften in Corona-Zeiten nicht wirklich vorhanden sei. Ein Suchprozess über Jahrzehnte werde zudem "sicher ganz Deutschland in Unruhe versetzen."

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