Lothar Held ist tot Abschied vom Mode-Unternehmer

Lothar Held. Foto:  

Der langjährige Chef der Firma Frankenwälder, Lothar Held, hat die Textilregion weit über ihre Grenzen hinaus geprägt. Eine wichtige Rolle spielte dabei immer die Frau an seiner Seite.

 
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Münchberg - Man konnte pünktlich die Uhr nach ihm stellen. Während der Autor dieser Zeilen meist eilen musste, um den Schulbeginn nicht zu verpassen, bog Lothar Held jeden Morgen exakt zur gleichen Minute ums Eck. Adrett gekleidet, salopp im Schritt, ein freundliches Lächeln auf den Lippen winkte er einem auf dem Weg in die Firma zu. Und so wie mancher Münchberger ihn zu früher Stunde erlebte, so kannten ihn auch die Mitarbeiter seiner Firma und die Menschen aus seinem persönlichen Umfeld: geradlinig, immer korrekt, bestens vorbereitet und angenehm leise im Ton.

Münchberg trauert um einen seiner großen Firmenchefs. Lothar Held und seine Familie haben die Stadt geprägt, seit Mutter Ernestine im Jahr 1953 hier die Frankenwälder E. Held Handstickerei Export-Gesellschaft gründete. „Mit geliehenen 5000 Mark, fünf Nähmaschinen und zehn Mitarbeitern, von denen jeder alles können musste“, wie der Sohn sich später mal erinnerte. Anpacken war angesagt. Für den Bub bedeutete das zu Schul- und Studienzeiten (Jura und Betriebswirtschaft in Erlangen und München), dass er viel mit dem Fahrrad unterwegs war. Von Haus zu Haus durch den Frankenwald, von der Fädenzieherin zur Stickerin und weiter zur nächsten Expertin im nächsten Dorf. Überall galt es, die Teile der Blusen hinzubringen, auf die die Mutter sich spezialisiert hatte. Erst danach wurden sie in Münchberg gefertigt. Das funktionierte auch deshalb, weil der Papa Steuerberater war „und er immer darauf achtete, dass wir nicht pleitegehen“.

Der Durchbruch zu einem der bedeutendsten Unternehmen der deutschen Bekleidungsindustrie gelang Lothar Held einige Jahre später mithilfe eines Patents, das die Bedruckung von Strick- und Wirkwaren (Jersey) ermöglichte – sowie dank einer glücklichen privaten Fügung. 1970 heiratete Lothar seine Gudrun und gemeinsam mit ihr als innovativer Kraft und Kreativ-Chefin machte er Frankenwälder zu einem der größten Bekleidungsunternehmen in Europa mit mehreren Hundert Mitarbeitern in Oberfranken. Keine drei Jahre später übersprang der Jahresumsatz damals die für hiesige Verhältnisse durchaus sagenhafte Summe von 60 Millionen Mark im Jahr.

Zielgruppe der Firma war seit jeher die Frau jenseits der 50, für deren Geschmack die Firmenchefs ein Händchen hatten, oder wie es ein niederländischer Geschäftspartner später einmal charmant ausdrückte: „Die Familie Held ist den Wünschen dieser Frauen immer um einen Kilometer voraus.“

Dem Niedergang der heimischen Textilindustrie trotzte Frankenwälder länger als fast alle anderen. Als eines der letzten Unternehmen der Branche kam man im Jahr 2006 dann doch nicht umhin, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Für Lothar Held fühlte sich das trotz aller wirtschaftlicher Notwendigkeit wie eine Niederlage an, „aber damals“, erinnert sich Sohn Tilman, „hatte er schon mehr als zehn Jahre für den Erhalt der Arbeitsplätze und für seine Mitarbeiter gekämpft“. Mit dem Einstieg seiner Kinder Tilman und Carolin, die heute die Geschäfte führt und das Unternehmen erfolgreich auf Kurs hält, zog sich Lothar Held mehr und mehr aus der ersten Reihe zurück. Völlig losgelassen aber hat er nie. Auch nicht in den letzten Tagen seines Lebens, wie Sohn Tilman mit einem Schmunzeln zu berichten weiß. Dieses Pflichtgefühl gegenüber der Firma war freilich nur die eine Seite. Die andere betraf seine soziale Ader. Wenn es galt, Mitarbeiter, Stadt oder Region am Erfolg der Firma teilhaben zu lassen, sagte Held selten Nein. Aufhebens machte er davon nie, im Gegenteil: Er bestand auf die Verschwiegenheit der Begünstigten. Bis zuletzt gratulierte er jedem Mitarbeiter persönlich zum Geburtstag und half auch sonst, wo immer er konnte. Kein Wunder, dass der Sohn nun sagt: „Wir sind stolz, seine Kinder zu sein.“ Lothar Held starb an Neujahr im Alter von 85 Jahren an den Folgen seines schwächer werdenden Herzens.

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