Marktschorgast Von Daten, Denkmälern und einem blutigen Duell

Wolfgang Schoberth

Freude in Ködnitz: Die Gemeinde Marktschorgast übergibt dem Schulmuseum die Chronik des Lehrers Nikolaus Brückner. Zwei seiner Schüler haben sie in mühseliger Arbeit abgeschrieben.

 
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Marktschorgast - Im Morgengrauen des 17. Juli 1659 treffen sich zwei wütige Adlige vor den Toren von Marktchorgast zu einem Duell - Hans Georg Römer zum Liebenstein und Bastel von Waldenfels. Begleitet werden sie von ihren Sekundanten. Sie reiten aufeinander los, die Pistolen im Anschlag. Doch beide verfehlen das Ziel.

Zwei berüchtigte Sauf- und Raufbolde: Da zieht der Waldenfelser, gegen die Vereinbarung, seine schwere Reiterpistole und streckt seinen Gegner nieder. "Du Waldenfelser", schreit er in seinen letzten Zügen, "du hast mich geschossen wie ein Schelm". Sein Leichnam wird in der Gruft der Kirche von Marktschorgast bestattet. Auf seinem Epitaph heißt es: "Durch eine Schüss entleibet und den 22. Juli allhie beigesetzt, dessen Seele Gott gnädig sein wolle." Das blutige Duell zweier berüchtigter Sauf- und Raufbolde wäre heute nicht der Rede wert, wenn es nicht in der Schulchronik von Marktschorgast, verfasst vom Schulleiter der katholischen Schule, Nikolaus Brückner stünde. Niedergeschrieben in außergewöhnlich ansehnlicher Schrift zweier zwölfjähriger Buben. Unter die Episode haben sie ein Foto geklebt, das den Totengedenkstein Römer von Liebensteins zeigt.

Schulchronik der Spitzenklasse: Günter Wild, der Leiter des Schulmuseums in Ködnitz, ist hocherfreut über das neue Schmuckstück und bedankte sich bei der Delegation aus Marktschorgast mit Bürgermeister Marc Benker und den ehrenamtlichen Archivpflegern Rudi Kurz, Peter Munk und Hans Jürgen Schiphorst. Bürgermeister Benker zeigte sich stolz auf die in seinem Ort entstandene Schulchronik. Sie spiegle ein Stück Heimat wider - ein Wert, der heute wieder von vielen stärker erfahren werde. Die Archivhelfer hätten dazu schon viele Jahre einen wichtigen Beitrag geleistet. Die Ködnitzer Bürgermeisterin Anita Sack bedankte sich bei ihrem Amtskollegen und bei Günter Wild für sein jahrzehntelanges Engagement.

Ein Auftrag rechtzeitig vor der Landschulreform: Als langjähriger Lehrer hat dieser die Entstehung der Schulchroniken erlebt: Schulrat Willy Kolb habe in den 1950er-Jahren die 70 einklassigen Landschulen, die es damals im Landkreis gab, beauftragt hat, Dokumentationen zu verfassen. Weitsichtig habe er damals erkannt, so Günter Wild, dass sie wohl bald aufgelöst würden. Die Landschulreform begann dann tatsächlich im Jahr 1969 und war 1972 abgeschlossen. Ein gutes Drittel dieser Chroniken habe das Museum vom Schulamt und einigen Gemeinden erhalten, Marktschorgast habe bisher gefehlt. Die Qualität der eingelieferten Chroniken sei ganz unterschiedlich: Knappe, rasch hingeworfene handschriftliche Arbeiten seien darunter, aber auch aufwendige.

Jahrelange Forschungs- und Sammeltätigkeit: Die 1952 abgeschlossene Marktschorgaster Chronik mit ihren 420 Seiten zählt gewiss zur Spitzenklasse. Zum einem ist sie der Ertrag einer jahrelangen Forschungs- und Sammeltätigkeit des damaligen Schulleiters Nikolaus Brückner. Zum anderen, weil er zwei wache, auch zeichnerisch begabte Jungs an seiner Seite gehabt hat, die bereit waren, ihm ein ganzes Jahr als "Skribenten" zu dienen: Gerhard Karpf und Hans Bönsch. Beide zwölf Jahre alt.

Von Karl dem Großen bis zum Einmarsch der Amerikaner: Festgehalten wird die Geschichte des Ortes von der Zeit Karls des Großen bis zum Einmarsch der Amerikaner am 14. April. Dazwischen wird die kulturgeschichtliche Entwicklung Marktschorgasts und des Umlandes dargestellt: die Zeit der Sachsenkriege, die Besitznahme des Ortes durch das Bistum Bamberg (1108-1141), die Rätsel um die Burg Schorgast, die sagenhafte Bedeutung des Goldbergs mit dem dortigen Blut- und Halsgericht, das bäuerliche Leben im Mittelalter. Brückner beschreibt die alten Wege, spürt Naturdenkmalen nach und dokumentiert die wichtigsten Gebäude der Ortschaft.

Fantasievolle Illustrationen von Schülern: Doch es sind nicht nur die farbigen Geschichten allein, die die Chronik zu einem Glücksfall für die Heimatforschung werden lassen. Im Gegensatz zu den meisten Schulchroniken, die in den 1950er-Jahren auf Wunsch des Schulamtes entstanden und eher schmal und mager ausgestattet sind, ist die Marktschorgaster reichhaltig mit Fotos, ausgestattet, vor allem aber mit Aquarellen von Brückners Schülern illustriert. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: Ureinwohner am Lagerfeuer, Jagdszenen im "Nordwald", die frühe Siedlung am Ufer der Schorgast. Viele der damals eingeklebten Fotos sind mittlerweile Raritäten. Vieles ist zerstört oder baulich verändert worden. Auch der Totengedenkstein des erschossenen von Liebensteins ist ein Opfer der Lufterosion geworden und völlig verwittert.

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