Marktschorgast - Der Reiz einer Landschaft an einem späten Novembertag: Der Herbst hat sich endgültig verabschiedet, nur noch ein paar wenige Blätter hängen an den Bäumen. Der Winter hat einen ersten Schneeschauer geschickt. Die Häuser am Oberanger, die sich sanft an den Hang hinauf zum Kapellenberg schmiegen, haben das Weiß schon wieder abgeworfen, geblieben ist ein wässriges, schmutziges Grau. Die zwei Spaziergänger rechts, die die Allee entlanglaufen, haben sich von dem Weg nicht schrecken lassen. Der eine mit Stock, der andere an seiner Seite schiebt sein Fahrrad. Vermutlich werden sie plaudern, sich einiges zu erzählen haben, vielleicht auch über Vorkommnisse in ihrem Ort, nämlich Marktschorgast, sprechen. Noch ein paar Schritte in Richtung des nahe gelegenen Bahnhofs, und sie werden an einer stämmigen Bäumen vorbeikommen. An die man ein Schild genagelt hat: "Juden sind in dieser Ortschaft unerwünscht." Ob die Inschrift für sie ein Thema ist? Nehmen sie das Schild überhaupt noch wahr oder ist es ihnen selbstverständlich geworden? Erregen sie sich über die Gemeinheit? In der Ortschaft lebt 1933 nur eine jüdische Familie, die von Eugen Kirschbaum, dem Geschäftsführer und Mitinhaber der Bronzefabrik Benda AG in der Grundmühle. Der willkommene Arbeitgeber und gute Nachbar von gestern wird zum Feind. 1938 wird die Firma "arisiert", Kirschbaum muss sich ins Ausland retten.