Die Frage "Wo ist Merkel?" ist physisch leicht zu beantworten: Genau ein Jahr, nachdem die Dauerregierungschefin unter dem Druck schlechter Wahlergebnisse den Rückzug von der CDU-Spitze angekündigt hat, besuchte die Kanzlerin den Digitalgipfel. Machtpolitisch fällt eine Antwort schwerer: Merkel schweigt zu zentralen politischen Vorgängen. Kein Wort zum einschneidenden Wahlergebnis von Thüringen, das die Kanzlerin als rein parteipolitischen Vorgang außerhalb ihrer Zuständigkeit verortet. Kein Ton zum glaubwürdigkeitsschädigenden Dauerstreit über die versprochene Grundrente, den sie in eine Arbeitsgruppe ausgelagert hat. Kein Basta in der unwürdigen Auseinandersetzung zwischen Außenminister und Verteidigungsministerin um die Hoheit in der Syrienpolitik. Von ihrer Richtlinienkompetenz macht Merkel, wenn überhaupt, nur intern Gebrauch - auch nicht beim Klimapaket der Regierung, dass sie sich selbst ehrgeiziger gewünscht hätte.