In einer Wohlstandsgesellschaft - so müsste man meinen - ist die Bereitschaft zur Solidarität besonders hoch. Aber die Erfahrung zeigt, dass in reichen Ländern die Solidarität abschmilzt wie Gletscher in der Sonne. Die Ursache für dieses Phänomen liegt offenbar im Wohlstand selber. Denn wer in einem prosperierenden Land erfolglos bleibt und aus dem Sozialsystem Hilfe braucht, gerät schnell in den Ruf eines arbeitsscheuen Müßiggängers. Kein Wunder also, dass solidarisches Verhalten überall auf den Prüfstand gestellt wird: in der Europäischen Union beim Euro-Rettungsschirm für Griechenland, in Deutschland beim Finanzausgleich zwischen armen und reichen Bundesländern oder bei den Hilfsmaßnahmen für Kinder, Pflegebedürftige und Kranke, für Alleinerziehende und Rentner, für Migranten, Behinderte und Arbeitslose.