Die Ruhe war nur von kurzer Dauer. Nur wenige Tage konnte das Bild in den italienischen Medien von einer machtgeilen deutschen Kanzlerin dem einer menschlichen Machthaberin weichen. Das war Anfang September, als Angela Merkel in der Flüchtlingskrise auf die Solidarität Europas setzte und auf Grenzschließungen anderer Staaten mit offenen Armen für die Schutzsuchenden reagierte. Kein Wunder: Setzte sich die Kanzlerin doch nun endlich für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der EU ein. Etwas wofür Italien in Brüssel seit Jahren vergeblich kämpft. Dieser Menschlichkeitsbonus währte nicht lange. Umso heftiger wird nun wieder gegen die Kanzlerin gewettert. Das Neue: Nun kommen die Angriffe auch vonseiten des ihr einst so wohlgesinnten Matteo Renzi. Der italienische Premier fühlt sich von Merkel - und damit von der EU - bevormundet, missverstanden, unfair behandelt. Anlässe dafür hat er viele, auch wenn diese nur vordergründig sind. Denn Renzi steht selbst mächtig unter Druck - und braucht dringend einen Sündenbock. Anlass Flüchtlingspolitik: Die EU-Kommission hat Italien verwarnt - das Land gehe nicht regelkonform vor und versage bei der Registrierung der Flüchtlinge. Purer Hohn, findet Renzi. Haben doch die Europäer Italien jahrelang mit den Flüchtlingen im Stich gelassen, das Problem nicht als europäisches erkannt, sondern sich auf die fragwürdige Dublin-Regelung zurückgezogen, nach der Menschen in dem Land der EU Asyl beantragen müssen, in dem sie die Union das erste Mal betreten.