Münchberg Auf der Suche nach der perfekten Faser

Carmen Brendel

Seit 2015 forschen die Mitarbeiter am Fraunhofer-Anwendungszentrum in Münchberg. Schwerpunkt ist die Verarbeitung von hochtemperaturbeständigen Keramikfasern.

 
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Münchberg - Am Fraunhofer-Anwendungszentrum (AWZ) in Münchberg, das seit 2015 existiert, forschen Wissenschaftler an Hightechfasern. Unter der Leitung von Professor Dr. Frank Ficker arbeiten die Wissenschaftler des Instituts an der Entwicklung von Verarbeitungsverfahren für anorganische Fasern - und dabei kann es durchaus sein, dass ein in Münchberg entwickeltes Material seinen Weg ins All findet.

Das Fraunhofer-Anwendungszentrum in Münchberg

Das AWZ in Münchberg gibt es seit 2015. Unter der Leitung von Professor Dr. Frank Ficker arbeiten die Wissenschaftler an der Entwicklung von Verarbeitungsverfahren für anorganische Fasern.

Der Schwerpunkt des Fraunhofer-Anwendungszentrums liegt auf der Verarbeitung von hochtemperaturbeständigen Keramikfasern. Diese sind die Grundlage für keramische Faserverbundwerkstoffe. Im Münchberger Zentrum erforschen acht wissenschaftliche und technische Mitarbeiter sowie fünf studentische Kräfte Möglichkeiten, keramische Fasern mit klassischen textilen Techniken zu verarbeiten.

Die Herstellung und Weiterentwicklung von textilen Materialien hat in Münchberg eine lange Tradition. "Bereits im Jahr 1854 wurde mit der Eröffnung einer Handwebschule der Grundstein für die textile Ausbildung am Standort gelegt", erzählt Marielies Becker, die stellvertretende Leiterin das AWZ. Die ehemalige Handwebschule heißt nach mehreren Umbenennungen mittlerweile "Staatliche Textilfach- und Ingenieurschule". Ihr wurde 1971 im Zuge der bayerischen Fachhochschulgesetzgebung die Ingenieur- und Designerausbildung der Fachhochschule Coburg angegliedert. "1974 kam es zur endgültigen Trennung der Fachhochschulebene vom berufsbildenden Bereich innerhalb der Münchberger Textilausbildungsstätten", sagt Becker. "Und im Jahr 2000 wurde der Fachbereich Textiltechnik und Textilgestaltung schließlich der neugegründeten Hochschule Hof zugeordnet." Am Campus Münchberg werden gegenwärtig die Studiengänge Innovative Textilien, Textildesign, Umweltingenieurwesen, Mediendesign und der textiltechnische Teil des Masterstudiengangs Verbundwerkstoffe unterrichtet.

Auf eine kontinuierliche technische Weiterentwicklung wurde in all den Jahren der textilen Ausbildung in Münchberg großer Wert gelegt - von der Verlegung des Ausbildungsfokus von der Hand- auf die mechanische Weberei Anfang des 20. Jahrhunderts, über die Einrichtung zahlreicher chemischer Labore für den Fachbereich Textilveredelung in den 1950er-Jahren, bis zum bereits im Bau befindlichen hochmodernen Technikum der Hochschule Hof; das soll Mitte 2019 fertig werden.

In diese Tradition fügt sich auch das AWZ ein, das seinen Forschungsschwerpunkt auf die Verarbeitung von hochtemperaturbeständigen Keramikfasern gelegt hat. Diese sind Grundlage keramischer Faserverbundwerkstoffe, sogenannter CMC-Werkstoffe. "CMC-Werkstoffe sind aus anorganischen Fasern aufgebaut, die in eine keramische Matrix eingebettet sind", sagt Becker. "Die Faser dient dabei als Verstärkungskomponente, die den Bauteilen eine höhere Festigkeit und Schadenstoleranz verleiht." Aufgrund ihrer guten mechanischen Eigenschaften werden Faserkeramiken vor allem im Bereich Wärme-, Antriebs- und Energietechnik benötigt und finden auch im Bereich der Luft- und Raumfahrt ihren Einsatz. "Allerdings sind anorganische Fasern meist sehr spröde", weiß Becker. "Wenn man versucht, sie wie klassische Fasern um kleine Radien zu biegen, brechen sie."

Hier ist nun das AWZ gefragt: Acht wissenschaftliche und technische sowie fünf studentische Mitarbeiter erforschen Möglichkeiten, keramische Fasern mit klassischen textilen Techniken wie Weben, Stricken oder Flechten zu verarbeiten, wobei kostengünstige serientaugliche Verfahren die Etablierung am Markt befördern sollen. Außerdem werden geeignete Prüf- und Auslegungsverfahren entwickelt und textiltechnisch umgesetzt. Damit schließt das AWZ eine Lücke in der Entwicklung keramischer Faserverbundwerkstoffe von der Faser über deren Verarbeitung bis zum CMC - und davon profitieren auch regionale Unternehmen. "Schon heute besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen der heimischen Industrie und dem AWZ, bei der im Rahmen von Forschungsprojekten und Industrieaufträgen gemeinsam Innovationen entwickelt und Lösungen für bestehende Probleme gefunden werden", freut sich Becker.

Beim AWZ handelt es sich um eine Kooperation zwischen der Fraunhofer Gesellschaft und der Hochschule Hof. Basierend auf einer Partnerschaft zwischen der Hochschule und dem von Professor Dr. Gerhard Sextl geleiteten Fraunhofer Institut für Silicatforschung (ISC) in Würzburg mit seinem Zentrum für Hochtemperatur-Leichtbau (HTL) in Bayreuth im Bereich der Werkstofftechnik lag es nahe, die Zusammenarbeit auch auf die Textiltechnik auszuweiten.

Sowohl Hochschule als auch Fraunhofer profitieren durch enge wissenschaftliche und personelle Verbindungen. "Durch die Vernetzung können beide Einrichtungen ihr technisches und fachliches Portfolio erweitern", sagt Marielies Becker. Und die Pläne für die Zukunft? "Das AWZ soll als gemeinsame Einrichtung von Hochschule und Fraunhofer dauerhaft als integraler Bestandteil des HTL etabliert werden", blickt Becker voraus. Vielleicht findet ja wirklich bald ein Werkstoff aus Münchberg seinen Weg ins All.

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