Nach dem Brücken-Unglück in den USAWie sicher sind Deutschlands Brücken?
Markus Brauer 26.03.2024 - 15:06 Uhr
Nach einem Brücken-Unglück wie jetzt in der US-Stadt Baltimore oder im Rahmen einer Routineprüfung müssen Sachverständige klären, wie schwer die Schäden an einer Brücke sind. Wichtige Fragen und Antworten zu Deutschlands Brücken, ihrer Sicherheit, den Kontrollen und Sanierungsmaßnahmen.
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Nach dem Brücken-Unglück am Dienstagmorgen (26. März) in der Hafenstadt Baltimore im US-Bundesstaat Maryland stellt sich auch die Frage nach der Sicherheit der Zehntausenden von Brücken-Bauwerken in Deutschland. Eine Übersicht über den technischen Stand der Dinge:
Das Unglück in Baltimore ereignete sich am Dienstagmorgen (26. März) gegen 1.30 Uhr (Ortszeit). Das Containerschiff „Dali“ fuhr ungebremst auf einen Pfeiler der vierspurigen Autobrücke Francis Scott Key Bridge zu und brachte diese binnen Sekunden zum Einsturz, wie die Verkehrsbehörde des Bundesstaates Maryland mitteilte.
Gegen 1.30 Uhr seien erste Notrufe eingegangen, berichten die „New York Times“ und der Sender „CBS News“ unter Berufung auf die Küstenwache und die Feuerwehr.
Die Autobrücke führt über den Hafen der Metropole im Nordosten der USA. Sie ist nach Angaben der Verkehrsbehörde Maryland mehr als 2,5 Kilometer lang.
Baltimore hat knapp 600 000 Einwohner und ist einer der bedeutendsten Seehäfen in den USA.
Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) gibt es in Deutschland rund 39 500 Brücken an Bundesfernstraßen – das heißt Autobahnbrücken und Brücken an Bundesstraßen mit Ortsdurchfahrten.
Laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) werden die Bauwerke je nach Bauart und Brückenquerschnitt in Teilbauwerke untergliedert. Insgesamt sind rund 51 360 Brücken-Teilbauwerke mit einer Gesamtfläche von über 30 Millionen Quadratmetern zu betreuen.
Die Gesamtlänge beträgt demnach mehr als 2100 Kilometer, was etwa der Strecke von Flensburg bis Neapel entspricht.
Wie ist der Zustand der Brücken in Deutschland?
Laut BAST ist der Zustand der „Brückenflächen“ bei über zwölf Prozent „sehr gut“ oder „gut“, bei etwa 75 Prozent „befriedigend“ oder „ausreichend“.
Bei fast elf Prozent ist der Zustand demnach „nicht ausreichend“, bei knapp zwei Prozent sogar „ungenügend“. Das bedeutet: „Die Standsicherheit oder Verkehrssicherheit ist nicht mehr gegeben“, erklärt die Bundesbehörde.
Wie werden Schäden an Brücken eingeteilt?
Die Zustandsnote bildet nach BAST-Angaben die Grundlage für die weitere Erhaltungsplanung der jeweiligen Brücken.
Eine Zustandsnote „nicht ausreichend“ bedeutet demnach aber nicht zwangsläufig eine Nutzungseinschränkung des Bauwerkes, sondern sei vielmehr ein „Indikator“ dafür, dass „in näherer Zukunft eine Instandsetzungsmaßnahme“ notwendig sein wird.
Ein „ungenügender“ Zustand weist zwar auf eine beeinträchtigte oder nicht mehr gegebene Stand- oder Verkehrssicherheit einer Brücke hin, kann aber auch auf geringere Schäden zurückzuführen sein.So können zum Beispiel fehlende Gitterstäbe im Geländer oder schadhafte Abdichtungen am Asphaltbelag der Brücke Gründe für eine schlechte Beurteilung des Bauwerks durch die Prüfer sein.
Ab wann besteht Sanierungsbedarf?
Der Bundesbehörde zufolge besteht in solchen Fällen "dringender Handlungsbedarf", um eine Sperrung zu verhindern. Wenn etwa bei einer routinemäßigen Bauwerksprüfung Mängel festgestellt werden, so würden sofort entsprechende Maßnahmen getroffen, um die erforderliche Sicherheit für den Verkehr auch weiterhin zu gewährleisten.
Die meisten der rund 140 000 Straßenbrücken sowie kapp 40 000 Fernstraßenbrücken in Deutschland stammen noch aus den 1960er und 1970er Jahren. Mittlerweile ist das Problem der maroden Brücken-Infrastruktur erkannt und Bund und Länder investieren jetzt mehr Geld, um Fahrbahnen und kaputte Brücken auf Vordermann zu bringen.
Wie wird eine Brücke geprüft?
Optische Prüfung: Zuerst müssen die Experten klären, welche Schäden etwa nach einem Unfall auf einer Brücke vorliegen. Dafür schaut sich der Sachverständige die Brücke genau an und stellt fest, ob die Lager beschädigt sind oder die Konstruktion, sofern sie aus Stahl besteht, verbogen wurde. Nach dieser ersten optischen Prüfung kann man recht gut beurteilen, ob die Standsicherheit eines Bauwerks gefährdet ist.
Materialien: Die für den Brückenbau verwendeten Materialien – Stahl oder Beton – sind von großer Bedeutung. Bei Stahlbrücken sieht man die Schäden schon von außen. Bei Stahlbeton können die Schäden auch im Kern der Brücke liegen, beispielsweise wenn es zu Verformungen im Innern des Materials gekommen ist. Die Risse werden sich auch außen zeigen. Wie weit sie nach innen gehen, müssen Sachverständige genauer überprüfen.
Kernbohrung und Monitoring: Um die Schäden an einer Brücke genauer zu untersuchen, werden zum Beispiel Kernbohrungen durchgeführt werden. So kann man feststellen, wie tief die Risse im Baumaterial sind. Es gibt auch ein Monitoring, um Schäden festzustellen. Dabei misst man Deformationen, Veränderungen der Form oder der Dimension eines Bauobjekts. Mit Hilfe spezieller Instrumente werden Verschiebungen oder Bewegungen des Bauwerks in Lage und Höhe untersucht.
Wie lange dauert eine solche Überprüfung?
Das kann länger dauern, je nachdem wie schwer die Schäden an der Konstruktion sind. Wenn gravierende Schäden vorhanden sind, muss geklärt werden, inwieweit die Standsicherheit der Brücke beeinträchtigt ist. Solche Prüfungen gehören zu den normalen Aufgaben von Ingenieurbüros, die sich mit Stahl und anderen Materialien befassen.
Der Sachverständige muss klären, ob eine Gefahrensituation vorliegt und wie gravierend sie ist. Dafür muss klar sein, wie stark die Wucht des Aufpralls war. Das kann man auch etwa anhand der Schäden an einem havarierten Schiff feststellen.
Möglicherweise wird die Brücke dann für den Autoverkehr gesperrt, aber Schiffe dürfen weiterhin durchfahren. Diese Entscheidung kann nur der Gutachter vor Ort treffen. Der Sachverständige hat auf jeden Fall zu klären, ob und welche Schäden entstanden sind, die den Schiffs- und Autoverkehr gefährden.
Wie oft werden Brücken kontroliiert?
In Deutschland existiert ein ausgeklügeltes Prüfsystem für Brücken. Die Bauwerksprüfung hat einen hohen Stellenwert, so dass niemand Angst haben muss, über eine Autobahnbrücke zu fahren.
Die Brücken in Deutschland werden intensiv begutachtet. Alle sechs Jahre gibt es eine Hauptprüfung, dazwischen nach drei Jahren eine einfache Prüfung. Es gibt laufende Beobachtungen und Besichtigungen. Die Bauwerke sind also unter ständiger Kontrolle von Bauwerksprüfingenieuren. Wenn irgendwo die Gefahr besteht, dass etwas passieren könnte, wird die betroffene Brücke sofort gesperrt.
Wer ist für die Sicherheit von Brücken zuständig?
Das sind die Straßenbauverwaltungen der Länder, Kommunen und Gemeinden. Die zuständigen Behörden haben eigene Prüfer. Es gibt aber auch externe Prüfer (ungefähr 2000 Experten), die sich um die Brücken in Deutschland kümmern.
Das Bundesverkehrsministerium hat die Verwaltung der Brückenbauwerke der Bundesfernstraßen, also der Bundesautobahnen und Bundesstraßen, in die Hoheit der Länder und deren Landesbehörden für Straßenbau und Verkehr abgegeben. Hinzu kommt das gesamte Netz der Kreisstraßen, Kommunalstraßen und so weiter. Für diese Bauwerke sind ebenfalls Baulastträger zuständig, die für all das sensibilisiert sind, was die Sicherheit von Brücken betrifft.