Nachruf Stimme des Fichtelgebirges schweigt

Wolfgang Neidhardt
Dietmar Herrmann in seiner Regionalbibliothek. Archiv Foto: Archiv

Dietmar Herrmann aus Wunsiedel ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Er war ein wandelndes Lexikon seiner Heimat.

 
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Der Redakteur der Heimatzeitung plant einen Beitrag über die Besteigungsanlagen im Fichtelgebirge: ein Anruf, eine E-Mail – und wenig später hat er alle Informationen auf dem Bildschirm. Der Verfasser eines Wanderführers braucht noch ein schönes Foto zu einer Tour: ein Anruf, eine E-Mail – und schon steht ihm eine kleine Auswahl zur Verfügung. Der Schriftleiter des Regionalmagazins „Siebenstern“, der Zeitschrift des Fichtelgebirgsvereins (FGV), will ein Thema vertiefen: ein Anruf, eine E-Mail – und schon ist er umfangreich versorgt. Die Quelle aller Informationen saß in Wunsiedel und hieß Dietmar Herrmann. Nun ist diese Quelle versiegt: Im Alter von 78 Jahren ist er am Montag, 9. Januar, nach längerer Krankheit, aber trotzdem unerwartet, gestorben.

Einmalige Sammlung

Hinterlassen hat Herrmann eine wohl einmalige Sammlung an Dokumenten über seine Heimat im Fichtelgebirge: eine fünfstellige Zahl an Bildern und unzählige Aufzeichnungen sowie Manuskripte zur Geschichte der Region. Buchstäblich war der Wunsiedler ein Lexikon des Fichtelgebirges – und hatte bereits im Jahr 2000 ein solches verfasst: Auf fast 800 Seiten findet sich in einem Nachschlagewerk so gut wie jeder Ort und jede historische Stätte im Fichtelgebirge. Als registrierter ehrenamtlicher Wikipedia-Autor hat er zahlreiche Objekte aus dem Fichtelgebirge eingefügt oder ergänzt.

FGVler durch und durch

Immer, wenn es das Wetter zuließ, war Dietmar Herrmann mit der Kamera draußen unterwegs. Danach oder bei Schnee und Regen war sein Platz vor dem heimischen PC oder im zweiten Stockwerk des Hauses des Fichtelgebirgsvereins in der Theresienstraße in Wunsiedel. Dort hat der Dietmer Herrmann die Regionalbibliothek des FGV aufgebaut und betreut: eine unerschöpfliche Wissensbasis für alle Heimatforscher. Im Gegensatz zu manchem seiner Zeitgenossen ist Herrmann immer offen mit seinem Wissen umgegangen, ganz seinem Charakter entsprechend.

Taten- und Wissensdrang

Der Mann hatte eigentlich immer gute Laune, strotzte vor Taten- und Wissensdrang, gepaart mit einer ordentlichen Portion Humor und Bescheidenheit. Und er war Praktiker im besten Sinne, konnte wenig anfangen mit Menschen, die viel redeten und wenig sagten. Er hingegen erzählte – und zwar so, dass er seine Zuhörer in den Bann zog – ganz egal, ob es um den Fränkischen Gebirgsweg ging, um seinen Lieblingsberg, die Kösseine, oder ganz einfach um seine umfangreiche Sammlung über das Fichtelgebirge.

Dietmar Herrmann, in Niederschlesien geboren, betätigte sich seit seinem 18. Lebensjahr als Heimatforscher sowie Landschafts- und Naturfotograf. Er trat mit Jahresbeginn 1966 dem FGV-Ortsverein Vordorf bei. Von 1967 bis 1973 war er Berichterstatter für die FGV-Vereinszeitschrift „Siebenstern“. Er war Vorsitzender des FGV-Ortsvereins Wunsiedel von 1976 bis 1985, seit 1979 Vertreter im Zweckverband Fichtelgebirgsmuseum und ebenso lange Referent für Öffentlichkeitsarbeit, Schrifttum, Heimatgeschichte und Museen.

Dietmar Herrmann war bis zu seiner Pensionierung Bereichsleiter Firmenkunden in der AOK Bayern. Er lernte Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht und Insolvenzrecht und war acht Jahre lang Dozent an der Verwaltungsschule. Seine Ehefrau Helga unterstützte seine langjährige ehrenamtliche Vereinsarbeit; sie waren seit 1967 verheiratet. „Ohne sie hätte ich mein Hobby nie so ausleben können“, hat er immer betont.

Bücher und Vorträge

Herrmann war auch Praktiker: Im Jahr 2000 hat er bei der Sanierung des Kösseinehauses die Schindeln mit hergestellt und in einer viermonatigen Teamarbeit angebracht. Im Jahr 2002 engagierte er sich im Bauausschuss für das Haus des Fichtelgebirgsvereins in Wunsiedel und baute dort seit 2004 eine Regionalbibliothek nach Sachgebieten auf. Herrmann hielt Bildervorträge über das Fichtelgebirge in verschiedenen Gremien etwa über Goethe, den Jean-Paul-Weg oder die Erlebnisregion Ochsenkopf. Er brachte Interessierten bei heimatkundlichen Führungen das Fichtelgebirge näher.

Im Jahre 1996 ehrte der FGV Dietmar Herrmann mit dem Goldenen Siebenstern, 2002 der Deutsche Wanderverband mit dem Silbernen Ehrenzeichen. 2003 verlieh der FGV ihm den Kulturpreis des Fichtelgebirgsvereins und ernannte ihn 2017 zum Ehrenmitglied. Seit 2008 war Dietmar Herrmann Träger des Ehrenbriefes der Stadt Wunsiedel.

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