"Wir sind hier offen zueinander", sagt Duong. Das macht diesen Ort zu einem besonderen in einer Gesellschaft, in der strenge Konventionen das Zusammenleben reglementieren. In manch fernöstlicher Kultur mag Nacktheit ihren Platz haben, etwa in den japanischen Onsen, heißen Quellen, oder auch in Südkoreas traditionellen Badehäusern. Im kommunistischen Einparteienstaat Vietnam ist man jedenfalls öffentlich nicht nackt.
Bei Grünem Tee genießt Duong in der Gruppe die Außergewöhnlichkeit des Ortes und das Dasein unter Gleichgesinnten. Die Hütte hinter ihnen, erzählt er, hätten sie zusammen gebaut als Regenschutz, so dass sie auch in den langen, niederschlagsreichen Sommermonaten herkommen können. Man könne auch darin übernachten. Die Insel biete alles, was ein einfaches, naturnahes Leben brauche - ein wenig wie in den Gemeinden ethnischer Minderheiten in Vietnams bergigem Norden.
Schon vor 40 Jahren, als die Stadtseen begannen zu verschmutzen, sollen die ersten Männer hier gebadet haben. Dabei ist der Rote Fluss alles andere als sauber. Angeschwemmter Müll bedeckt seine Ufer, mit ihm fließt über Hunderte Kilometer das Abwasser von Feldern in Südwestchina, wo der Fluss entspringt. Auch in Vietnam landet laut einem Bericht des Umweltministeriums das Abwasser größtenteils ungefiltert in Seen und Flüssen des Landes.
Die Freischwimmer sorgt das wenig. Der Fluss filtere sich fortlaufend selber, sagt der 57-jährige Anh Du. "Ich schwimme hier seit zehn Jahren. Wir schwimmen hier auch zum Neujahrsfest, Hunderte Leute kommen dann." Er versichert, nie werde jemand krank vom Flussbad.
Umringt von der Stadt, in der ein Einkaufszentrum nach dem anderen emporschießt und der Verkehr die Straßen verstopft, bildet die Bananeninsel mit ihrer Nudisten-Badestelle ein Ort der Ruhe. Er stillt die Bedürfnisse nach Natur, Gemeinschaft und Selbstentfaltung. "Es ist, wie die Ausländer sagen: Wir kehren zurück zu Mutter Natur", sagt Duong. Dann blickt er nachdenklich auf den Fluss. "Aber du musst schwimmen, um es selbst zu spüren."