Der Fachkräftemangel bleibe zwar ein wichtiger Aspekt, werde aber aktuell von drängenderen Themen überlagert. „Vielen Unternehmen steht das Wasser bis zum Hals. Sie halten sich bei Neueinstellungen zurück, solange die Unsicherheiten so groß sind“, so Brehm mit Blick auf die Umfrage. Nur jede zehnte Firma will demnach ihre Mitarbeiterzahl aufstocken. Die Kammer in Bayreuth rechnet folglich für 2023 mit einer rückläufigen Beschäftigtenzahl in der heimischen Wirtschaft. Die Standorttreue des Mittelstands sei aber nach wie vor ein herausragendes Merkmal Oberfrankens.
Die IHK zu Coburg meldet bei ihrem Konjunkturklima-Index mit 71 Punkten den niedrigsten bislang ermittelten Wert. Nur noch 36 Prozent der Unternehmen bewerten ihre aktuelle Lage als gut, wie eine neue Umfrage ergeben hat. Mit einer geschäftlichen Aufhellung rechnet kaum noch ein Betrieb, dagegen gehen rund zwei Drittel von einer Eintrübung aus. Vertreter nahezu aller Branchen nannten die „wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen“ als wesentliches Risiko für die Geschäftsentwicklung.
Auch Forscher warnen
IHK-Präsident Andreas Engel spricht von der „schwersten Energiekrise seit Jahrzehnten“ und einer bevorstehenden Rezession. „Im Wirtschaftsraum Coburg sind Unternehmen, Arbeitsplätze, Standort und Wohlstand in großer Gefahr“, warnt er.
Eine enorme Verunsicherung in seinem Wirtschaftszweig hatte jüngst auch der oberfränkische Handwerks-Präsident Matthias Graßmann im Interview mit unserer Zeitung beklagt. Aufgrund der vielen Krisenherde sei es für zahlreiche Betriebe „äußerst schwer bis unmöglich, belastbar über die kommenden Wochen und Monate zu kalkulieren“.
Unterdessen warnt das in München und Dresden angesiedelte Ifo-Institut, dass die Materialknappheit in der Industrie länger dauern könnte. Ifo-Forscher Joachim Ragnitz aus Dresden schreibt: „Zum Teil spiegeln sich darin dauerhafte Entwicklungen wider, die Folge weltweiter Änderungen in der Produktionsstruktur sind – etwa der zunehmende Bedarf an Halbleitern oder an Industrierohstoffen.“ Nur ein Teil der Engpässe sei auf die Verkettung von Krisen zurückzuführen, die sich „hoffentlich in den nächsten Monaten wieder abmildern werden – zum Beispiel die Folgen der Corona-Pandemie oder des Ukraine-Krieges“.
Der Bevölkerungsrückgang könnte nach Ansicht von Ragnitz künftig in Deutschland dauerhaft zu Produktionseinschränkungen führen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass China bestimmte Rohstoffe verknappe und Preissteigerungen auslöse. Oder die Dekarbonisierung könne die Produktion in Deutschland zu teuer machen.