Pandemie und Gesundheit Verspannt und depressiv im Homeoffice

Weniger Erkältungskrankheiten als normal üblich registrierte die Krankenkasse im Frühjahr. Foto: dpa/Christin Klose

In Hochfranken ist der Krankenstand während der Pandemie deutlich gesunken. Das geht aus dem Gesundheitsreport der DAK hervor. Doch: Schäden an Muskeln und Skelett sowie psychische Erkrankungen haben zugenommen.

 
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Hof/Wunsiedel - Im ersten Halbjahr 2021 haben Frauen und Männer in den Landkreisen Hof und Wunsiedel deutlich seltener krankheitsbedingt bei der Arbeit gefehlt. Das gilt zumindest für die bei der DAK Versicherten, wie die Krankenkasse mitteilt. Unter ihnen lag der Krankenstand in der Region bei 4,2 Prozent und um einen Prozentpunkt unter dem Vorjahresniveau. Damit waren an jedem Tag bis Ende Juni durchschnittlich 42 von 1000 Beschäftigten krankgeschrieben. Das heißt jedoch nicht, dass das Leben in der Pandemie keine eigenen Risikofaktoren mit sich brächte, die über die Ansteckung mit dem Coronavirus hinaus gingen: Die Anzahl der Fehltage wegen orthopädischer und psychischer Probleme hat in der Region deutlich zugenommen. Unsere Zeitung hat Experten befragt, woran das liegt – und wie man vorbeugen kann.

Hintergrund des insgesamt gesunkenen Krankenstands ist laut DAK-Mitteilung der massive Rückgang bei den Atemwegserkrankungen (minus 67 Prozent). Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsreport für Hof und Wunsiedel hervor. Für das gesamte Jahr 2020, das ebenfalls analysiert wurde, betrug der Krankenstand in der Region 4,8 Prozent. Damit hatte Hochfranken 2020 den höchsten krankheitsbedingten Arbeitsausfall in Bayern, den geringsten hatte der Landkreis München mit 2,8 Prozent.

Erkältungskrankheiten rangieren in der Statistik zum Krankenstand in Hochfranken oft unter den Top drei der Krankheiten, die am häufigsten zu Arbeitsunfähigkeit führen. Im ersten Halbjahr 2021 lagen sie jedoch nur auf Platz fünf. Bis Ende Juni kamen in der Region auf 100 bei der DAK versicherte Beschäftigte 50 Fehltage wegen Atemwegserkrankungen, 103 Tage weniger als im Vorjahreszeitraum. „Die Erkältungssaison im Frühjahr 2021 ist nahezu ausgefallen“, kommentiert Stefan Römer, Chef der DAK-Gesundheit in Hof, die Studienergebnisse. „Wir sehen, dass sich Homeoffice, Lockdown und verstärkte Hygienemaßnahmen positiv ausgewirkt haben. Sie schützen nicht nur vor Corona, auch andere gewöhnliche Erkältungserreger werden seltener übertragen.“

Der DAK-Gesundheitsreport für die Landkreise Hof und Wunsiedel analysiert neben dem ersten Halbjahr 2021 auch die Fehlzeiten des gesamten Vorjahres: Demnach gingen 2020 die meisten Ausfalltage auf das Konto von Muskel-Skelett-Erkrankungen wie etwa Rückenleiden.

Bezogen auf 100 Beschäftigte waren es 481 Tage – ein Anstieg von 57 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems waren für mehr als ein Viertel (27,5 Prozent) des gesamten krankheitsbedingten Arbeitsausfalls verantwortlich.

„Krass“ findet Orthopäde Dr. Dominik Scheruhn diese Zahlen. Ob er ebenfalls einen Anstieg der orthopädischen Erkrankungen seit Beginn der Pandemie beobachte? „Aus dem Gefühl heraus: ja“, berichtet der Mediziner, der im Hofer Zentrum für Orthopädie und Neurochirurgie praktiziert. Die Arbeit im Homeoffice sowie die Schließung von Fitnessstudios und der Ausfall des Reha-Sports in den Lockdowns habe zu Problemen durch Bewegungsmangel geführt. Das jedoch oft ohne Not, wie der Experte betont: „Die Pandemie wird gerne als Grund vorgeschoben, weshalb man sich jetzt nicht mehr bewegen kann.“

Dabei könne Bewegung ja durchaus auch im Freien stattfinden, oder eben zu Hause am eigenen Trainingsgerät. „Man muss eben Alternativen suchen und kreativ sein“, sagt Scheruhn. Gerne rät er seinen Patienten, sich ein Rudergerät anzuschaffen, um Präventionssport in den eigenen vier Wänden betreiben zu können. „Es trainiert Ober- und Unterkörper. Außerdem ist es gelenkschonend.“

Auch schlechte Haltung bei der Arbeit im Homeoffice kann die orthopädische Gesundheit beeinträchtigen. „Viele haben gerade zu Beginn der Pandemie mit dem Laptop auf dem Küchentisch gearbeitet“, sagt Scheruhn. Zudem seien die Stühle im Homeoffice oft nicht optimal. Die Folge der ungewohnten, nicht ergonomischen Gegebenheiten seien etwa Verspannungen im Nacken, die zu Kopfschmerzen mit Schwindel führen können. Auch zu Beschwerden der Lenden- und Brustwirbelsäule könne es kommen.

Nicht selten hätten Fehlhaltungen und Verspannungen aber auch ihre Ursache in der Psyche. Denn manchmal scheint der Kopf zu schwer zu tragen – und der Körper duckt sich weg. Scheruhn weiß das: „Viele Menschen hat die Situation an sich belastet. Es haben schon viele erzählt, dass es sie bedrückt.“

Auch das zeigen die Zahlen der DAK. Bei den Fehltagen der Beschäftigten stehen an zweiter Stelle psychische Erkrankungen. Jeder siebte Fehltag (14,2 Prozent) wurde 2020 von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen verursacht. Die Anzahl der Fehltage in diesem Bereich stieg um rund 33 Prozent auf 249 je 100 Versicherte. „Menschen mit psychischen Erkrankungen haben unter den Einschränkungen und Belastungen der Pandemie gelitten“, sagt Stefan Römer von der Krankenkasse. „Sie waren während der Krise oft über auffällig lange Zeiträume krankgeschrieben. Deshalb der Anstieg der Fehltage in dem Bereich.“

Auch der sozialpsychiatrische Dienst der Diakonie Hochfranken hatte während der Pandemie eine Zunahme an Beratungsfällen zu verzeichnen, wie dessen Leiter Martin Schuster im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet. „Zu bestehenden Problemen sind noch weitere obendrauf gekommen“, erklärt er zur Ursache. Dazu gehörten Existenzängste wie die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, aber auch Stress und Einsamkeit. Wer in „fragilen Beziehungssystemen“ lebe, sich schwertue, mit anderen in Kontakt zu kommen, dem falle das jetzt noch schwerer. Hinzu kämen Überlastungszustände von Eltern im Homeoffice, die gerade in Zeiten des Distanzunterrichts einer enormen Doppelbelastung ausgesetzt waren.

Wer die Arbeit zu Hause psychisch verträglicher gestalten möchte, müsse sich zunächst selbst fragen, an welchen Stellschrauben er drehen könne: „Wo brauche ich noch mehr Struktur?“ Einen geregelten Arbeitsalltag, zu dem auch Pausen gehören, müsse man sich selbst schaffen. Ist die Stimmung doch einmal im Keller, könne Bewegung an der frischen Luft die Stimmung aufhellen.

Hat sich bereits eine psychische Krankheit entwickelt, ist das nicht mehr so einfach. Dann ist die Hilfe eines Therapeuten, Psychologen oder Psychiaters gefragt. Wenn es schnell gehen muss, können sich Betroffene an den sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie wenden. Dort sind Termine innerhalb von 14 Tagen möglich. Für den Fall einer akuten Krisensituation sind die Fachkräfte des Krisendienstes Oberfranken rund um die Uhr erreichbar.

Telefonnummer:

Sozialpsychiatrischer Dienst: 09281/837530 (Hof; hier Terminvereinbarung außerhalb der Sprechzeiten), 09251/850131 (Münchberg), 09282/9621913 (Naila)

Krisendienst Oberfranken: 0800/6553000

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