Und wie im eigenen Volk, so für die ganze Welt: Ihr Bild wurde über die Jahrzehnte milliardenfach verbreitet, sie wurde bereits in jungen Jahren zur Ikone, zur globalen Marke. Sie wurde das Andachtsobjekt von Royalisten und Traditionalisten ebenso wie von Künstlern und in der Popkultur. Sie war all die Jahre schlicht „The Queen“.
Die Krönung war eine religiöse Messe
Zu dieser ganz einmaligen, völlig unzeitgemäßen, ziemlich nicht modernen Aura trug bei, dass sie im britischen Staatssystem eben nicht nur ein reines Vorzeigeobjekt an Feiertagen war wie die royalen Kollegen in Norwegen, Schweden oder Holland, sondern formal in ihrem Land tatsächlich immer noch der Souverän – und die Bürger, sie waren ihre Untertanen, „the Queen’s subjects“.
„The King in Parliament“ nennen Staatskundler die britische Verfassung, die ja nie akkurat aufgeschrieben oder als Ganzes verabschiedet wurde, sondern sich in einem Sammelsurium einzelner Dokumente, Gewohnheitsrechte, in Traditionen und Ritualen manifestiert. Die älteste Demokratie der Welt lebt letztlich noch mit Formen und Formeln des Mittelalters – auch das trägt zum Respekt bei, die fast alle Welt vor der Queen stets empfand. Ihre Krönung am 2. Juni 1953 in der Westminster Abbey war kein profaner Staatsakt, sondern eine religiöse Messe. Im Rahmen der Zeremonie wurde die neue Königin vom Erzbischof gesalbt, und zwar mit „heiligem Öl“. Keine Kamera durfte diesen Moment filmen.
Premierminister erstattet persönlich Bericht
Einmal pro Woche musste der Premierminister ihr persönlich Bericht erstatten; auf dieses Recht bestand sie. Und jene Regierungschefs, die nach Ende ihrer Amtszeit Memoiren schrieben, gaben zu Protokoll, wie glänzend informiert Elizabeth fast immer über die Tagespolitik war, wie unangenehm ihre Nachfragen sein konnten.
Ansonsten, man muss es so schlicht ausdrücken, bestand die Hauptaufgabe der britischen Monarchin Elizabeth II. einfach darin, für die Ewigkeit zu sorgen; sprich: eine Familie zu gründen und dem Land potenzielle Thronfolger zu bescheren. Die wichtigste Entscheidung Elizabeths war deshalb zweifellos, auf eine Liebesheirat zu bestehen: Am 20. November 1947 heiratete sie den Marineoffizier Philip Mountbatten. Dies tat sie gegen starken Widerstand in Politik und Presse: Philip war zwar von Adel, aber familiär mit deutschen Wurzeln. Das wirkte so kurz nach dem opferreichen Zweiten Weltkrieg für viele als Affront. Doch die dann sage und schreibe 73-jährige Ehe mit ihrem Prinzgemahl – Philip starb im April 2021 – blieb stets nach außen stabil und bot der Queen wohl die wichtigste Stütze für ihr Leben unter den Augen der Öffentlichkeit.
Dianas Tod befördert das Bild von der herzlosen Queen
Auch die vier Kinder Charles, Anne, Andrew und Edward, geboren zwischen 1948 und 1964, zeugen von einem insgesamt glücklichen Eheleben. Danach allerdings brach die private Glücksphase jäh ab. Ab den 1970er Jahren lieferte die Familie Windsor dem Boulevard eine lange Kette unglücklicher Beziehungen, Skandale, Scheidungen, schier endlosen Klatsch- und Skandalstoff. Wobei das größte dieser Dramen, die scheiternde Ehe zwischen Thronfolger Charles und Lady Diana Spencer, sogar die Monarchie selbst infrage stellte.
Formal war Elizabeth im Recht, als sie sich 1997 zunächst weigerte, der in Paris tödlich verunglückten Diana ein Staatsbegräbnis zu gewähren; nach der Scheidung war diese nicht mehr Mitglied der königlichen Familie gewesen. Doch die öffentliche Trauer um Di nahm so irrationale Ausmaße an, die Kritik an der scheinbar „heartless Queen“ wurde derart laut, dass sich die Königin ihrem Volk beugen musste: Am 5. September zollte Elizabeth in einer TV-Ansprache der Mutter der Prinzen William und Harry ihren Respekt – und rettete so im Orkan der Emotionen wohl das ganze System.
Ein Leben, geprägt von Familiendramen
Kann eine Queen in Ruhestand gehen? Das sieht die englische Monarchie nicht vor; man bleibt Königin bis zum letzten Atemzug; das sah auch Elizabeth so. Und ihre Art, selbst jenseits des 70., 80. und 90. Lebensjahrs noch unermüdlich (und fast bis zum Schluss gesegnet mit guter Gesundheit) ihren öffentlichen Pflichten nachzukommen, nötigte selbst den Monarchiekritikern Respekt ab. Die Queen wurde endgültig unantastbarer Gemeinschaftsbesitz aller Briten – und Elizabeth konnte sich im hohen Alter herrliche Momente der Selbstironie leisten. Etwa, als sie sich in einem kleinen Film zum Auftakt der Olympischen Spiele 2012 in London von James Bond alias Daniel Craig per Hubschrauber zur Eröffnungsfeier fliegen ließ und scheinbar nach einem Fallschirmsprung in ihrer Loge landete. Die Britische Filmakademie erklärte sie nach dieser Rolle offiziell zum „best Bond-Girl ever“.
Selbst weitere Familiendramen, wie die Flucht ihres Enkelsohns Harry mit seiner Frau Meghan in die USA 2020, konnten ihrem Ansehen nicht mehr schaden. Im Blick ihrer Bewunderer erschien sie ein wenig gebeugter, zarter, leiser auch als früher – aber würdevoller denn je. Eine Jahrhundertfigur.
Wie soll ein Nachruf auf die Queen enden? Wieder mit der Erinnerung an eine ihrer Farben. Am 17. Mai 2011 besuchte sie Irland; es war der erste Staatsbesuch überhaupt zwischen den beiden seit Jahrhunderten so innig verfeindeten Nachbarländern. Straßenproteste junger Iren waren angekündigt. Und dann stieg Elizabeth II. in Dublin aus dem Flugzeug – und war gekleidet in einem durch und durch grünen Kostüm, also in der Farbe der Iren. Wie löste die Queen die Probleme, die sie mit ihren politisch sehr begrenzten Mitteln lösen konnte? Indem sie leuchtete. Sie wollte, dass man ihre Botschaft auch von Weitem sah.