Regionalsport "Die Grüne Au hat großen Charme"

Matthias Hunger hat die 100 Erinnerungsorte im fränkischen Fußball zusammengetragen. Dazu gehören auch Helmbrechts und Hof. Ein Ort hat es ihm besonders angetan.

 
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Herr Hunger, sind Sie ein Fußballromantiker?

Das Buch

Matthias Hunger trägt in seinem Buch "Fußballheimat Franken - 100 Orte der Erinnerung" eine subjektive Auswahl an Stadien der großen Profivereine, aber auch Stätten der Kunst, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft zusammen. Der Autor setzt dabei auf die Erzählkraft des Fußballs. Anekdotenhaft schreibt er von vielen kuriosen Begebenheiten, geht aber auch auf die lange Geschichte des Sports in der Region ein. Somit ist das Buch nicht nur etwas für eingefleischte Groundhopper.

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Arete-Verlag,

216 Seiten, 16,95 Euro.

Definitiv! Als Club-Fan muss man das auch sein. Aber ich habe auch meine Liebe zu den Amateursportplätzen entdeckt - und noch mehr zu den ehemaligen Profistadien, wie eben die Grüne Au in Hof. Das begeistert mich schon.

Was genau fasziniert Sie beispielsweise an der Grünen Au?

Ich war richtig begeistert - allein schon von der Lage. Auch wenn es der Name anders vermuten lässt, liegt die Grüne Au nicht wie die modernen Stadien irgendwo auf der grünen Wiese, sondern mitten im Wohngebiet. Dazu noch die Schornsteine, die man im Hintergrund noch sieht - das hat schon einen richtig großen Charme.

Die Hofer Fußballtradition ist auf der Grünen Au also mit den Händen zu greifen?

Ja. Man sieht, dass das Stadion mit den Erfolgen des Vereins gewachsen ist. Dazu gehört auch, dass mal etwas zurückgebaut wurde, weil es nicht mehr benötigt wurde. Wenn Hof für mich als Nürnberger nicht so weit weg wäre, dann würde ich öfter hinfahren. Daher hoffe ich auf einen Hofer Wiederaufstieg in die Regionalliga.

Allerdings spielt Hof derzeit vor nicht einmal 500 Zuschauern!

Ohne Hof schmeicheln zu wollen, hatte ich dennoch den Eindruck, dass die Menge und die Begeisterung des Hofer Publikums herausgestochen ist. Ich war auch bei Klubs und in Stadien mit einer ähnlichen Geschichte. Doch hat mich Hof beeindruckt - obwohl Aschaffenburg, Würzburg oder Bayreuth sportlich besser standen.

Das Schlimmste wäre also, aus der Grünen Au eine moderne, aber gesichtslose Arena zu machen?

Machen wir uns nichts vor: Sollte Hof einen ähnlichen Höhenflug erreichen wie in den 1960er- und 1970er-Jahren, wird man nicht umhin kommen, etwas zu tun. Aber ohne Not wäre das sehr schade, weil ein Stück Fußballgeschichte verlorengehen würde.

Zurück zum Gegensatz zwischen Stadion und Arena: Sind die modernen Arenen auch Erinnerungsorte des Fußballs?

Für einen Bayern-Fan ist die Allianz-Arena garantiert ein Erinnerungsort. Für einen Chelsea-Fan auch. Natürlich werden sie alle irgendwann einmal Erinnerungsorte werden. Aber sie sind halt auf dem Reißbrett geplant, die anderen Stadien zu Beginn sicherlich auch, aber die Stadien sind eben historisch mitgewachsen und haben ein besonderes Flair. In Deutschland sind im Profibereich nur wenige übriggeblieben. Mir fällt nur noch der Ronhof in Fürth ein. Alle anderen sind moderne Stadien. Ob sie irgendwann einmal denselben Charme ausstrahlen werden, weiß ich aber nicht. Viel schlimmer als die Arena in München empfinde ich übrigens die 08/15-Stadien in Mainz, Hoffenheim oder Augsburg.

Eine weitere Stadiongrundfrage lautet: Mit oder ohne Tartanbahn? Wie halten Sie es damit?

Wenn man nicht gerade Leichtathletik-Fan ist, ist die Aschenbahn hinderlich. Ein reines Fußballstadion ist enger und kompakter - und dann auch lauter. Ich hätte im Max-Morlock-Stadion in Nürnberg gern, dass die Aschenbahn verschwindet. Aber das wird so schnell nichts werden.

Wie sind Sie auf die Idee für das Buch gekommen?

Ich hatte zuletzt einen Fußballroman geschrieben, der im Amateurbereich spielt. Für die Recherche habe ich den Duft des Amateurfußballs wieder erleben dürfen. Meine Zeit als Fußballer liegt schon einige Zeit zurück. Als ich dann zu den unterklassigen Spielen gegangen bin, habe ich gemerkt: Auch bei den vermeintlich kleinen Vereinen kann man große Geschichten erzählen.

Welche zum Beispiel?

Beim ASN Pfeil Nürnberg, der ehemals die Nummer zwei in Nürnberg war, sieht man noch die Überbleibsel der erfolgreichen Zeit. So etwas wieder in Erinnerung zu bringen, war der Reiz. Oder beim TSV Buch war Helmut Rahner, der ehemalige eisenharte Verteidiger, Trainer - und eine schillernde Figur. Darüber kann man ein paar nette Anekdoten erzählen. Daraus ist die Idee entstanden, einerseits historische Begebenheiten zu erzählen und andererseits alte Stadien wieder in den Fokus zu rücken und die alten Vereine und ihre große Tradition aufleben zu lassen.

Wird also die wahre Liebe zum Fußball bei den Amateuren gelebt?

Sie wird zumindest in Vereinen gelebt. Der Zusammenhalt, weil es nicht nur Geschäft ist, und die Liebe ist bei den richtigen Vereinen größer. Dass wir ein Verein bleiben, ist deshalb auch etwas, das mich als Club-Fan bewegt. Eben die Ausrichtung, dass der Fußball nicht nur auf Profit aus ist, sondern auch das Besondere, das Vereinstum, lebt. Also das, womit der Fußball in Deutschland auch groß geworden ist.

Sie haben alle 100 Erinnerungsorte in Ihrem Buch selbst besucht?

Natürlich. Nicht auf jedem Amateursportplatz habe ich ein Spiel live erleben können. Ich habe nicht nur die 100 Orte besucht, sondern viel mehr. Es ist mir schwergefallen, nur die 100 Orte auszuwählen. Weil der Verlag und ich ein schlechtes Gewissen hatten, dass wir nicht alle Erinnerungsorte Frankens im Buch haben, haben wir die letzte Seite frei gelassen.

Haben Sie einen Lieblingsort?

Für mich ist es in Nürnberg der Zabo, die Heimat des Clubs von 1913 bis 1966, auch wenn man heute nicht mehr viel davon sieht. In Oberfanken ist es die Grüne Au in Hof.

In einem Kapitel widmen Sie sich der Frankenwaldsportstätte in Helmbrechts. Dort weht nur noch der Wind der Vergangenheit. Macht das den Charme aus?

Ja. Im Prinzip würde für den Nachfolgeverein des VfB ein Sportplatz ausreichen. Aber in Helmbrechts ist das alte Rund noch zu erkennen, es gibt noch die Tribüne, auch wenn alles allmählich zuwuchert. Es ist ein historisch gewachsenes Sportfeld.

Also ist diese Tradition auch

eine Last für die Vereine?

Mit Sicherheit. Vereine wie Hof oder Helmbrechts werden daran gemessen, dass sie mal höherklassig gespielt haben. Deutschland ist seit 1992 sportlich größer geworden. Damals hatten Vereine Anspruch und Anrecht höherklassig zu spielen. Die Ligenstruktur hat sich seitdem verändert. Deshalb haben sich die Vereine die Frage stellen müssen: Wo verorte ich meinen Verein? Viele Vereine haben daran zu knabbern, sich sportlich richtig einzuordnen.

Der Titel Ihres Buches ist "Fußballheimat Franken". Ist Franken die Heimat des Fußballs?

Eine wirkliche Heimat ausfindig zu machen, ist schwierig. Damit kokettieren viele. Das Ruhrgebiet, Dresden mit der ersten Fußballmannschaft, in Braunschweig fand das erste Fußballspiel statt. Was nimmt man da? Das wäre auch vermessen. Gerade Franken hat aber viel zur Entwicklung des Fußballs beigetragen - in den Anfängen des Fußballs mit Nürnberg und Fürth als Hochburgen des Fußballs, weil sie die deutsche Nationalmannschaft gestellt haben. Franken ist eine Heimat, aber nicht die Heimat.

Das Gespräch führte

Marcus Schädlich

Autor

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