Regionalsport "Es war ein unglaubliches Glücksgefühl"

Marius Möchel hat den VER Selb in Füssen sechs Sekunden vor Ende zum 3:2-Sieg geschossen. Der Neuzugang aus der DEL fühlt sich nicht nur deswegen sehr wohl in Selb.

 
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Glückwunsch zu Ihrem späten Siegtreffer am Sonntag in Füssen, Herr Möchel. Wie gut haben Sie nach dem Spiel denn geschlafen?

Nach solchen Spielen schläft man eher schlecht. Da ist man noch voller Adrenalin. Es war ja ein nervenaufreibendes Spiel und auch eine längere Heimfahrt.

Wurde denn im Bus noch ein Bierchen aufgemacht - und wann war die Mannschaft wieder in Selb?

Im Bus war erstmal jeder platt. Aber natürlich unterhält man sich noch ein bisschen. Wir waren ungefähr um 2 Uhr früh wieder zu Hause.

Zum Spiel selbst: Wie haben Sie es gesehen?

Die ersten zwei Drittel von uns waren nicht so berauschend. Da war auch die Stimmung nicht so toll.

Haben Sie nach dem 0:2-Rückstand trotzdem bis zum Schluss noch an einen Sieg geglaubt?

Ja, wir haben noch daran geglaubt. Wir wussten, dass wir nur das abrufen müssen, was wir können.

Schildern Sie uns doch einmal aus Ihrer Sicht die Szene, die sechs Sekunden vor der Schlusssirene zum 3:2-Siegtreffer geführt hat.

Mein persönlicher Gedanke war, in Unterzahl kein Gegentor mehr zu bekommen und uns in die Verlängerung zu retten. Ich habe dann den Puck bekommen und gemerkt, dass keiner angreift. Also bin ich einfach mal nach vorne gelaufen. Dann kamen zwar drei Füssener Spieler, aber von denen wusste keiner so richtig, wer die Scheibe nehmen soll. Ich bin dann einfach vor das Tor gefahren und habe den Puck reingeschoben.

Und danach sind die Gefühle explodiert?

Ja, das war schon ein unglaubliches Glücksgefühl. Dafür spielt man Eishockey. Es hat mich auch sehr gefreut, dass ich der Mannschaft mit diesem Tor etwa zurückgeben konnte, nachdem sie mich so gut aufgenommen hat.

Haben Sie in Ihrer Karriere so spät schon einmal ein so wichtige Tor geschossen?

Ein Siegtreffer so kurz vor Schluss ist mir bislang verwehrt geblieben. Das war schon ein cooles Gefühl. Wir wussten ja, dass nichts mehr passieren kann.

Wie wichtig waren die drei Punkte nach der Auftaktniederlage gegen Regensburg?

Sehr wichtig. Es war zwar erst das zweite Saisonspiel, aber wir haben hohe Ansprüche an uns selbst und wollten keinen kompletten Fehlstart hinlegen. Vielleicht war dieser Sieg auch ein kleiner Brustlöser für den weiteren Saisonverlauf. Das könnte uns noch etwas enger zusammenschweißen.

Sie sind jetzt zwei Wochen in Selb. Haben Sie sich schon gut eingelebt?

Auf jeden Fall. Die Jungs haben mir es auch sehr einfach gemacht. Es sind alles gute Jungs mit einem guten Charakter. Es macht Spaß, hier täglich zu arbeiten. Das Fichtelgebirge ist auch eine schöne Gegend. Ich bin rundum zufrieden und froh, hier zu sein. Meine Familie übrigens auch.

Wen haben Sie denn noch mitgebracht?

Meine Frau und meinen dreieinhalb Monate alten Sohn.

Wie waren Ihre ersten Eindrücke von der Mannschaft?

Ich habe zuvor schon gehört, dass es eine gute Mannschaft ist. Und das hat sich vom ersten Training an bestätigt. Es herrscht ein gutes Niveau. Es sind alle sehr ehrgeizig und ziehen gut mit. Das hat mir gleich ein gutes Gefühl gegeben. Es hat vom ersten Moment an gepasst.

Von einem Spieler mit der Erfahrung aus 432 DEL-Einsätzen erwarten die Selber Fans natürlich sehr viel. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?

Ich habe ja selbst extrem hohe Anforderungen an mich und bin sehr selbstkritisch. Ich war zuletzt aber neun Monate verletzt, hatte kaum Vorbereitung und muss erst wieder richtig reinkommen. Dazu habe ich in der DEL auch eine andere Rolle gespielt. Nichtsdestotrotz ist es aber natürlich mein Anspruch, einen Beitrag zu leisten, dass wir Spiele gewinnen. Wenn aber ein anderer Spieler zwei oder drei Tore schießt, freue ich mich genauso darüber.

Was macht Ihre Hand nach der langen Verletzungspause?

Der geht es soweit gut. Darüber bin ich sehr froh. Ich war ja schon etwas besorgt, wie die Hand reagiert nach den ersten Spielen. Aber es wurde top gemacht von den Ärzten. Ich habe bislang kein Problem.

Der Bruch des Handgelenks war nicht Ihre erste schwere Verletzung.

Das stimmt. Einmal habe ich mir das Syndesmoseband gerissen, ein anderes Mal habe ich mir mit der Schlittschuhkufe einen Muskel im Oberschenkel durchtrennt.

Was halten Sie von den derzeitigen Geisterspielen?

Ich bin einfach glücklich und extrem froh, dass wir überhaupt spielen und unseren Beruf ausüben können. Natürlich hat es einen faden Beigeschmack ohne Zuschauer. Eishockey ohne Fans macht auf Dauer keinen Spaß und keinen Sinn.

Am vergangenen Freitag war es auf den Rängen zumindest ein bisschen bunt durch die Fahnen und Transparente, die der Fanclub Fanatics im Vorfeld des Spiel gegen Regensburg angebracht hat. Registriert man so etwas als Spieler oder lässt das einen kalt?

Das registriert man auf jeden Fall und freut uns auch. Das zeigt, dass die Fans bei uns sind und mitfiebern, auch wenn sie nicht im Stadion sind.

Lassen Sie uns nochmal kurz über Ihre DEL-Zeit sprechen. Sie haben in Hamburg, Nürnberg und Wolfsburg gespielt. Wo war es am Schönsten?

Alle Stationen hatten ihren Charme. Hamburg ist eine Weltstadt. Das war damals auch ein toller Verein und für mich in jungen Jahren eine tolle Erfahrung. Dann für meine Heimatstadt Nürnberg in der DEL aufzulaufen, war ein absoluter Traum. Auch in Wolfsburg habe ich mich super wohlgefühlt. Ich möchte keine Zeit missen.

Wie finden Sie jetzt die Umstellung von der DEL zur Oberliga?

Die ist schon groß. Aber nicht unbedingt wegen des Niveaus. Auch hier können alle Eishockey spielen.

Wo liegen dann die Unterschiede?

In der DEL ist das Tempo nochmal ein anderes. Da hat man keine Zeit nachzudenken und muss schneller reagieren. In der Oberliga hat man noch ein bisschen mehr Zeit an der Scheibe. Man kann sich das so ungefähr vorstellen, wie mit den unterschiedlich großen Eisflächen in Kanada und hier in Deutschland.

Sie haben in Selb eine Ausstiegsklausel, die Sie frühstens am 7. Dezember ziehen könnten. Bleibt mit Ihren 29 Jahren die DEL weiter das Ziel? Oder könnten Sie sich vorstellen, die Saison beim VER zu Ende zu spielen?

Ehrlich gesagt, bin ich jetzt fokussiert auf Selb und arbeite jeden Tag daran, dass ich hier besser reinkomme. Ich will dem Verein etwas zurückgeben, dass ich hier spielen darf. Als ehrgeiziger Spieler hat man natürlich das Ziel, in der höchsten Liga zu spielen. Aber nicht um jeden Preis. Wenn es gut läuft und ich hier eine gute Zeit habe, soll man nie nie sagen. Meine Familie fühlt sich wohl, und ich auch. Über die Zukunft kann ich aber noch nichts sagen. Ich möchte in beide Richtungen nichts ausschließen.

Das Gespräch führte Andreas Pöhner

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