Rehau/Hof Polymere statt Pop Art

Benedikt Hiller ist der deutschlandweit beste Verfahrensmechaniker- Azubi für Kunststoff- und Kautschuktechnik. Dabei hatte er einst gänzlich andere Pläne und Träume.

 
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Fachsimpelei unter Kollegen: Benedikt Hiller tauscht sich mit Rehau-Azubi Marco Walter (links im Bild) aus. Foto: David Büttner Quelle: Unbekannt

Rehau/Hof - Benedikt Hiller rutscht auf seinem Stuhl ein wenig nach vorne, streckt eine Hand aus und streicht über die Kante des Tisches vor ihm. Er trägt weißes Hemd, schwarze Hose - klassisch. Wir befinden uns in einem Schulungsraum im zweiten Stock des Prolin, dem Ausbildungszentrum der polymerverarbeitenden Firma Rehau in der gleichnamigen Stadt. Ein schmuckes Gebäude, bekannt als "Alte Buntweberei", das heute - von Grund auf saniert - Historie (Außen) und Moderne (Innen) miteinander verbindet. Der Raum ist eher steril gehalten, genau wie das Interieur. Davon zeugen nicht zuletzt die weißen Tische, die man so in Kantinen, Fahrschulen, Hochschulen et cetera deutschlandweit vorgesetzt bekommt.

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Und einer dieser Tische bekommt nun Hillers Hand zu spüren. Der 22-Jährige fährt aber nicht etwa aus Nervosität über dessen Kante. Nein, Hiller möchte zeigen, was er in seinem Job als Verfahrensmechaniker für Halbzeuge ganz konkret erzeugt. Beispielsweise nämlich jene Kunststoffkanten. "Ganz allgemein stellt man Produkte her, die noch nicht ganz fertig sind und erst beim Kunden verarbeitet werden", erklärt er. Ein anderes Beispiel seien etwa Schläuche, die letztlich in Kaffeemaschinen landen.

Hiller wird im Februar sein duales Bachelor-Ingenieursstudium an der Hochschule Hof beenden, den praktischen Teil seiner Ausbildung absolvierte er bei der deutschen Tochter der Rehau-Gruppe. Und das mit Erfolg: Hiller hat kürzlich den Titel der Industrie- und Handelskammer als Deutschlands bester Azubi zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik eingeheimst.

Klar, gefreut habe er sich darüber, blickt der 22-Jährige zurück, seine Reaktion sei aber doch eher bescheiden ausgefallen. Er ist - das wird schnell klar - niemand, der sich im Scheinwerferlicht suhlt. Zurückhaltend statt laut. "Ich wollte mich bei meinen Kollegen ja nicht unbeliebt machen", schiebt er vorsichtig flachsend hinterher. Zu Hause mit den Eltern habe man aber schon mal angestoßen. "Am meisten gefreut hat sich aber wohl meine Oma, die war wirklich überglücklich."

Seinem Arbeitgeber dürfte es da nicht viel anders ergangen sein, immerhin sicherte Hiller Rehau den Titel zum vierten Mal in Folge. "Die Serie wollte ich natürlich nicht reißen lassen."

Angesprochen darauf, was ihn denn nun zu "Deutschlands Bestem" mache, wird Hillers Teamplayer-Mentalität deutlich. Sein Geheimnis sei die Unterstützung durch seine zwei Mitstudentinnen, Jessica Pemp und Katharina Strehl, sowie Ausbilder Christian Beer gewesen. Erst auf hartnäckige Nachfrage rückt der 22-Jährige dann doch noch mit einer eigenen Qualität heraus. "Ich denke, ich bin recht gut darin, die Theorie mit der Praxis zu kombinieren." Wohl auch weil er schon immer für Technik gelebt hat: "Alles was Räder und Maschinen hat, alles was sich dreht, ist spannend für mich." Sein Taschengeld wanderte in Hot-Wheels-Autos, zu Weihnachten wünschte er sich Carrera-Bahnen. Mit zehn Jahren schraubte er an Fahrrädern herum, später an Mofas und Mopeds. "Irgendwie war das schon immer ein Teil von mir."

Da überrascht es doch ein wenig, dass Hiller einst von einem gänzlich anderen Karriereweg geträumt hatte: "Ursprünglich wollte ich etwas mit Kunst machen." Insbesondere die Pop Art hatte es ihm angetan, in einem Schulprojekt befasste er sich etwa intensiv mit dem Werk von Andy Warhol.

Hiller zeichnete und sprayte in seiner Freizeit, besuchte oft und gerne Museen. "Dann wurde mir klar, dass man in dieser Richtung nur schwer unterkommt und auch noch wenig verdient." Die Kunst blieb ein Hobby. Darüber hinaus verpasste Hiller, damals noch nicht in Hof, sondern in Schweinfurt lebend, auch den Naturwissenschaften eine Absage. Er wollte nicht im Verdacht stehen von "Vitamin B" zu profitieren - sein Vater ist Biologe. Hiller entschied sich für das Ingenieurswesen. "So habe ich etwas, auf das ich irgendwann zurückblicken und sagen kann, das war mein Ding."

Und dass sein Ding dabei Kunststoff und nicht etwa Metall ist, hat einen triftigen Grund: "Es ist einfach spannender. Was Kunststoff angeht steht man bei der Forschung und Entwicklung noch sehr am Anfang, beim Metall ist schon viel ausgeschöpft." Mittlerweile arbeitet Hiller im Automobilbereich von Rehau. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Kunststoffteile am besten an Karosserien anbringen lassen. Und dort halten. Für den "schon immer brutal von Autos begeisterten" Hiller, der an Wochenenden gemeinsam mit seinem Vater an zwei 190er-Mercedes herumschraubt, scheint es schon jetzt der perfekte Beruf zu sein.

Allerdings sei er nunmal "keiner, der sich ausruht", wie Hiller betont. Der 22-Jährige wird an seinen Bachelor ein duales Masterstudium anschließen. Und dann treibt ihn da noch ein "kleiner Traum" um: "Ich würde gerne über die Firma ins Ausland gehen." Ein Eintrag in der Vita als Deutschlands bester Azubi zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik kann da sicherlich nicht schaden - so sperrig der Titel sich auch lesen mag.