Britische Medien berichten, eine „rote Linie“ sei für den König Kritik an seiner Frau, „Queen Consort“ Camilla. Harry legt in seinem Buch nahe, in ihrem Auftrag seien negative Details über ihn an die Presse durchgestochen worden, um sie in einem besseren Licht erscheinen lassen. Camilla, die – das räumt er zumindest ein – seinen Vater wirklich glücklich mache, habe Harry „auf ihrem persönlichen PR-Altar geopfert“.
Sein Buch hat Harry zusammen mit dem Ghostwriter J.R. Moehringer verfasst. Der US-amerikanische Autor – ausgezeichnet mit dem renommierten Pulitzer-Preis – hat gefeierte Romane geschrieben: „Tender Bar“ über seine unkonventionelle Kindheit und Jugend auf Long Island (2021 von George Clooney verfilmt) und „Knapp am Herz vorbei“ über den Gentleman-Bankräuber Willie Sutton.
Haarscharf am Kitsch vorbei
Harrys Buch kommt aber, wenn man es mit Moehringers anderen Werken vergleicht, oft ziemlich pathetisch daher: „Wie konnte es sein, dass ich sie sehen konnte“, heißt es in „Spare“ über seine verstorbene Mutter Diana. „So deutlich wie den Schwan, der auf dem tiefblauen See auf mich zuglitt? Wie konnte ich immer noch ihr Lachen hören, so laut wie das Lied der Singvögel in den kahlen Bäumen?“ Das geht haarscharf am Kitsch vorbei.
Das volle Mitgefühl seiner Leserinnen und Leser hat Harry ganz sicher auf seiner Seite, als er vom Tod seiner Mutter berichtet. Nicht kitschig, sondern erschütternd und roh sind diese Erinnerungen. Wie sein Vater im Morgengrauen an sein Bett tritt, um ihm die Nachricht zu überbringen, dass Diana in Paris tödlich verunglückt ist. Wie er dann durch Schloss Balmoral streift, unfähig zu weinen, ein Zwölfjähriger offenbar praktisch allein gelassen mit seiner Trauer. Wie er in einer jähen Hoffnung glaubt, seine Mutter könnte den Unfall nur vorgetäuscht haben, um ihre Jäger, die Paparazzi, ein für alle mal abzuschütteln. Wie viel Überwindung muss es dieses Kind gekostet haben, vor dem Kensington Palace Fremden die Hand zu schütteln und hinter dem Sarg seiner Mutter durch Londons Straßen zu gehen?
Doch dann strapaziert Harry das Diana-Motiv auch wieder. Vergleicht das Engagement seiner Mutter für Kriegswaisen und ihren Kampf gegen den Einsatz von Landminen mit der Friedensmission, die er in Frogmore antritt – zur Lösung eines Familienkrieges, an dem er zumindest nicht ganz unschuldig ist. Es ist, als beanspruche er für sich, der wirkliche Erbe Dianas zu sein, der einzige Erbe.
Einige hübsche, ja liebevolle Anekdoten sind aber auch in „Spare“ versteckt: Prinz Charles morgendliche Kopfstände zum Beispiel, die er machte, um seine Rückenschmerzen zu lindern. Prinz Philips Grillabende und die Salatsoße der Queen, offenbar ihre Spezialität. Halsbrecherische Jetski-Rennen der Prinzen (die sich gegenseitig liebevoll „Harold“ und „Willy“ nennen) an der französischen Côte d’Azur. Es sind Lichtblicke in diesen Erinnerungen, die über große Strecken so vorwurfsvoll und anklagend daherkommen.
„Der Schattenmann, die Stütze, der Plan B“
Der Titel „Spare“ ist nicht zufällig gewählt: Er bezieht sich auf die Rede vom „heir and a spare“, die Königsgemahlinnen über Jahrhunderte zu gebären hatten: einen Erben und einen Ersatz, sollte dem Erstgeborenen etwas zustoßen. Was aus vielen Passagen des Buches klingt: Harry hatte mit dieser Position in der Königsfamilie ein echtes Problem. Hier nimmt einer Rache, der sein Leben lang das Gefühl hatte (und es von seinen Nächsten offenbar auch vermittelt bekam), er sei „der Schattenmann, die Stütze, der Plan B. Ich wurde geboren für den Fall, dass Willy etwas zustieß“.
In mehreren TV-Interviews hat der 38-Jährige wortreich erklärt, warum er dieses Buch schreiben musste. Einen Vorwurf konnte er aber nicht ausräumen: Dass er mit dem Buch und der sechsteiligen Netflix-Serie „Harry&Meghan“ das Privatleben, das er doch angeblich schützen will, versilbert und damit den Faustischen Pakt mit den Medien, den seine Familie einst schloss, nur erneuert. Es ist offenbar ein Handel, den er bereit ist einzugehen. In einem seiner Interviews formulierte er es so: „Ich akzeptiere vollkommen, dass das Buch zu schreiben bedeutet, das Monster zu füttern.“