Schulabbrecher Hof fordert Bildungshilfe aus München

Hof ist bei den Schulabbrechern in Bayern ganz oben: Der Runde Tisch zum Thema tagt regelmäßig – und wendet sich nun ans Sozialministerium. Foto: dpa/Christian Charisius

Die Schul- und Bildungslandschaft der Stadt schickt eine öffentliche Forderungsliste ins bayerische Sozialministerium. Das sind die zehn Forderungen.

 
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Mehr Geld, bessere Rahmenbedingungen fürs Personal und noch leichter zugängliche Angebote für die Betroffenen selbst: Die maßgeblichen Hofer Stellen in Sachen Bildung, Kinder, Jugendliche und Familien tun sich zusammen, um einen Hilfeschrei nach München zu schicken. Stadt, Schulamt und Mittelschulen, Diakonie, Jobcenter und VHS, Kommunale Jugendarbeit, Sonderpädagogisches Förderzentrum und Berufliches Schulzentrum unterzeichnen einen Zehn-Punkte-Forderungskatalog ans bayerische Sozialministerium. Die Vorgeschichte ist lang.

Vor gut einem Jahr hat eine Bertelsmann-Studie hohe Wellen geschlagen in der Region: Die Schulabbrecherquote in der Stadt, so hieß es, liege noch viel weiter über dem Durchschnitt als bisher schon angenommen. In der Folge ist bekanntlich viel diskutiert und evaluiert worden – auf allen lokalen Ebenen. Zwei Vorstöße gab es auch in Richtung Landeshauptstadt (Bildung ist bekanntlich Ländersache, die Kommunen treten hier als Partner auf): Zum einen war Oberbürgermeisterin Eva Döhla beim damaligen Kultusminister Michael Piazolo zum Gespräch – er sagte mehr Lehrerstunden für Hof zu, die in geringem Umfang auch kamen. Zum anderen hatten sich die Hofer Beteiligten des „Runden Tischs Schulabbrecher“ (bisher ohne zufrieden stellende Antwort) ans bayerische Sozialministerium gewandt: An den Schulen schlagen bekanntlich immer mehr soziale Probleme durch. Und Hof hat Sonderstellungen nicht nur darin, dass die Stadt zu den besonders armen im Freistaat gehört, sondern auch, dass sie eine verhältnismäßig hohe Anzahl an Flüchtlingen aufgenommen hat.

23 Prozent der aktuell 48.000 Hofer sind Ausländer, 40 Prozent haben einen Migrationshintergrund: So leiten die Beteiligten den vierseitigen Brief ein. Eine weitere Zahl: Die Sozialausgaben beliefen sich zuletzt auf 32 Millionen Euro – so viel wie die Gewerbesteuer. So geht es in dem Forderungskatalog auch immer wieder um eine Sache: die Forderung, dass Angebote doch nicht daran scheitern dürften, dass die Stadt die Eigenanteile eigentlich geförderter Projekte nicht aufbringen könne. Der Forderungskatalog:

1. Nachhaltige Finanzierung

Hof brauche nachhaltige Finanzierungsstrukturen, die über Anschub- und Projektfinanzierungen mit bürokratischem Antragswesen hinausgehen, sodass Maßnahmen bedarfsorientiert gesichert werden können. Oft nämlich werden Projekte nur mit Anschubfinanzierungen versehen und/oder nur teilweise bezuschusst. Das müsse sich ändern, auch weil Fachkräfte eher langfristig Beschäftigungsmöglichkeiten annähmen.

2. Entlastung bei Eigenmitteln

Die Pflicht zur Entrichtung von Eigenmitteln sei sowohl für die Stadt als auch für die Wohlfahrtsverbände mit großen Hürden verbunden. Maßnahmen dürften nicht am Eigenanteil scheitern. Dies betreffe unter anderem die Eigenmittel bei der Erziehungsberatung. Hier brauche es eine bedarfsabhängige Förderung, die passgenau auf die Situation vor Ort reagiert, statt eine pauschalierte Förderung nach Einwohnerzahlen. Bessere Angebote für Betroffene wie beispielsweise Sprechstunden in Kitas verhinderten letztendlich hohe Folgekosten.

3. Erhöhung des Zuschusses für Bauprojekte

„Wir brauchen eine höhere Förderung für den Bau und die Sanierung von Schulen und Kitas“, schreiben die Unterzeichner. Vorstellbar wäre ein Zuschlag von zusätzlichen zehn Prozent.

4. Erhöhung des Zuschusses bei der kindbezogenen Förderung

Gerade frühe Hilfen seien besonders zielführend, um Kindern und Familien begleitend zur Seite zu stehen. Dementsprechend kommt den Kitas eine besonders große Rolle zu. Mit einer Erhöhung des Zuschusses im Rahmen der kindbezogenen Förderung sowie einer Anrechnung von mehr als einem Gewichtungsfaktor (zum Beispiel bei Kindern mit Behinderung oder Migrationshintergrund) könne diese Arbeit verstärkt werden.

5. Finanzielle, nachhaltige Sicherung und Ausbau des Kita-Einstiegs

„Das Projekt ‚Kita-Einstieg‘ ist ein Erfolgsmodell. Deswegen haben wir es als Stadt Hof nach dem Wegfall der Fördermittel mit eigenen Mitteln weiterfinanziert. Langfristig werden wir aber Unterstützung brauchen, damit es aufrechterhalten oder sogar ausgebaut werden kann“, schreibt die Stadt.

6. Schnittstelle zur Kita schaffen

Je früher, desto besser – dieser Grundsatz gelte besonders bei der Förderung und Unterstützung von Kindern und Familien. Gerade die Kitas stellten über die Betreuung der Kinder hinaus entscheidende Brücken in die Familien und Schulen dar. Deswegen brauche man bessere Schnittstellen in Sachen Elternarbeit, (Schul-)Beratung und psychologischer Betreuung.

7. Förderung für Jugendsozialarbeit an Schulen erhöhen

Der Zuschuss des Freistaats für Jugendarbeit an Schulen beläuft sich auf 16 360 Euro pro Stelle – bei Realkosten von etwa 80 000 Euro. Der Zuschuss wurde trotz der Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst und weiteren Kostenmehrungen seit Jahren nicht angepasst. Die Hofer fordern eine Erhöhung jenes staatlichen Zuschusses auf bis zu 100 Prozent.

8. Niederschwellige Angebote für Eltern finanziell unterstützen

„Die Unterstützung der Eltern ist für den Bildungserfolg der Kinder entscheidend. Gerade niedrigschwellige Maßnahmen, die sich in der Lebenswelt der Familien bewegen, erscheinen hier erfolgversprechend“, schreiben die Unterzeichner. Sie fordern eine finanziell nachhaltige Absicherung der Erziehungsberatung nach vorhandenen Bedarfen unabhängig von den Eigenmitteln.

9. Mehr Unterstützung für offene Kinder- und Jugendarbeit

Präventive Maßnahmen verhinderten nicht nur größere Problemlagen, sondern verringerten auch die Kosten. Es gelte, individuelle Spielräume und Fördermöglichkeiten für lokal unterschiedliche Herausforderungen deutlicher zu unterstützen. Gerade im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit brauche es eine nachhaltige Unterstützung.

10. Schuldner und Straffällige

Auch hinsichtlich mancher Zielgruppe mit besonderem Handlungsbedarf brauche es bessere Unterstützung. So sei zum Beispiel der Bedarf an Insolvenz- und Schuldnerberatung in Hof doppelt so hoch wie im Bayern-Durchschnitt (13,38 zu 6,05 Prozent). Die Insolvenzberatung brauche eine höhere Förderung.

Zudem fehle an den Schulen Personal, um Angebote im Rahmen der Inklusion in Kitas und Schulen zu begleiten – wie Sozialarbeitende in den Igel-Klassen. Dabei spiele vor allem die Arbeit an den Gelenkstellen und im präventiven Bereich sowie die Arbeit mit den Eltern eine wichtige Rolle. Dafür brauche es eine bessere finanzielle Ausstattung.

Zudem brauche man in Hof Unterstützung für eine kontinuierliche Hilfe für straffällig gewordene Jugendliche: Sie fehlten am häufigsten im Unterricht. Hier denke man an eine Klasse, die sich speziell den Bedürfnissen dieser Zielgruppe annimmt, oder den Ausbau sozialer Dienste, die eine intensivere Begleitung dieser Personen sicherstellen können. Vor allem Maßnahmen zur Berufsvorbereitung seien hier ein wichtiges Element.

Die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) teilte dazu am Freitag mit, sie nehme die Sorgen der „kommunalpolitischen Familie“ sehr ernst: „Für mich ist klar, dass wir die Höhe der Sozialausgaben in Deutschland auf den Prüfstand stellen müssen. Der Sozialstaat muss denen helfen, die in Not sind.“

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